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Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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verschwand.
    Für Scarlett wurde die Kammer wieder von der Du n kelheit verschluckt. Aber in der Dunkelheit hörte sie wieder das Rascheln. Es wurde immer lauter, als ob sich in der Kammer etwas rundherum schlängelte.
    Eine Stimme erhob sich: WIR SIND DER SLEER.
    Bods Nackenhaare stellten sich auf. Die Stimme, die er in seinem Inneren hörte, klang irgendwie sehr alt und sehr trocken, wie wenn dürre Zweige am Fenster der K a pelle kratzten, und es kam ihm so vor, als wenn mehrere Stimmen gleichzeitig sprechen würden.
    »Hast du das gehört?«, fragte er Scarlett.
    »Ich habe nichts gehört, nur ein raschelndes G e räusch. Ich hatte ein seltsames Gefühl, ein Kribbeln im Bauch, so als würde etwas Schreckliches passi e ren.«
    »Da passiert nichts Schreckliches«, sagte Bod. Dann sagte er, in Richtung der Kammer: »Wer seid ihr?«
    WIR SIND DER SLEER. WIR BEWACHEN UND BESCHÜTZEN.
    »Was beschützt ihr?«
    DIE RUHESTÄTTE UNSERES MEISTERS. HIER IST SEIN ALLERHEILIGSTES. WIR B E SCHÜTZEN ES.
    »Ihr könnt uns nicht berühren«, sagte Bod, »ihr könnt nur Schrecken verbreiten.«
    Die raschelnden Stimmen klangen gereizt. SCHR E CKEN IST EINE DER WAFFEN DES SLEER.
    Bod schaute auf den Sims. »Sind das die Schätze eures Meisters? Eine alte Brosche, ein Becher und eine kleine Klinge aus Stein? Das sieht nicht beso n ders wertvoll aus.«
    DER SLEER WACHT ÜBER DIE SCHÄTZE. ÜBER DIE BROSCHE, DEN KELCH, DAS ME S SER. WIR BEWAHREN SIE FÜR DEN MEISTER, BIS ER WIEDERKOMMT. UND ER WIRD WIEDERKO M MEN.
    »Wie viele seid ihr?«
    Doch der Sleer antwortete nicht mehr. Bod hatte ein Gefühl, als wäre sein Kopf mit Spinnweben g e füllt. Er schüttelte sich, um wieder klar denken zu können. Dann drückte er Scarletts Hand. »Wir sollten jetzt gehen«, sa g te er.
    Er führte sie an dem Toten im braunen Mantel vorbei. Und ehrlich gesagt, dachte Bod, wäre der Mann nicht so erschrocken und daraufhin gestürzt, hätte er bei seiner Schatzsuche eine herbe Enttä u schung erlebt. Die Schätze von vor zehntausend Ja h ren waren nicht das, was man sich heutzutage unter einem Schatz vorstellt. Bod führte Scarlett behutsam die Treppe hinauf, bis sie wieder in dem hohen dunklen Bau des Frobisher-Grabmals sta n den.
    Die nachmittägliche Frühlingssonne schien so grell durch die Ritzen des Gemäuers und durch das Gitter der Eingangspforte, dass Scarlett blinzelte und die Augen mit der Hand beschirmte. Draußen sangen Vögel in den Sträuchern, eine Hummel summte vorbei, alles verströ m te Alltagsfrieden.
    Bod drückte die Pforte auf und schaute noch einmal zurück.
    Scarletts helle Kleidung war schmutzig und voller Spinnweben; Gesicht und Hände waren ganz grau vor Staub.
    Vom Fuß des Hügels her rief jemand – es waren sogar mehrere Stimmen –, rief laut und verzweifelt.
    Jemand rief »Scarlett? Scarlett Perkins?« und Scarlett antwortete »Ja, hallo?«. Und bevor sie und Bod die G e legenheit hatten, darüber zu reden, was sie gesehen ha t ten, oder über den Indigomann zu spr e chen, kam eine Frau in einer fluoreszierenden gelben Weste, auf der POLIZEI stand, und fragte, ob alles in Ordnung sei, wo sie gew e sen sei und ob jemand versucht habe, sie zu en t führen. Dann redete die Frau in ein Sprechfunkgerät und meld e te, man habe das Kind gefunden.
    Bod schlich neben ihnen her, während sie den Frie d hofshügel hinuntergingen. Die Tür zur Kapelle stand o f fen, drinnen warteten Scarletts Eltern. Die Mutter weinte, der Vater sprach besorgt in sein Ha n dy, neben ihm stand eine weitere Polizistin. Keiner bemerkte Bod, der in der Ecke der Kapelle wartete.
    Die Leute befragten Scarlett weiter, was mit ihr pa s siert sei, und sie antwortete so aufrichtig wie mö g lich, dass ein Junge namens Nobody mit ihr tief in den Hügel hineingegangen sei, wo ihnen im Dunkeln plötzlich ein Kerl mit einer Tätowierung erschienen sei, aber das sei nur eine Vogelscheuche gewesen. Man gab ihr einen Schokoriegel, wischte ihr das G e sicht ab und fragte, ob der tätowierte Mann mit e i nem Motorrad gekommen sei. Scarletts Eltern, die jetzt nicht mehr um das Leben ihrer Tochter fürchten mussten, beschuldigten sich gegense i tig, es ihrer Kle i nen erlaubt zu haben, auf einem Friedhof zu spielen, auch wenn er ein Naturschutzgebiet war. Heutzutage sei man eben nirgendwo mehr sicher, und wenn man die eigenen Kinder nicht ständig im Auge b e halte, könne ihnen etwas Schreckliches zustoßen, vor allem einem Kind wie Scarlett.
    Scarletts Mutter

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