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Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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der Familie n gruft der Owens erwachte, hatte er das Gefühl, dass ihm ein großes Geheimnis enthüllt worden war und dass er etwas Bedeutendes erlebt hatte. Er brannte darauf, mit jema n dem darüber zu reden.
    Als Mrs Owens aufgestanden war, sagte Bod: »Das war wunderbar gestern Nacht!«
    »Ach ja?«, sagte Mrs Owens nur.
    »Wir haben getanzt«, sagte Bod. »Wir alle. Unten in der Altstadt.«
    »Ach tatsächlich?«, fragte Mrs Owens und schnaubte. »So, so, getanzt. Du weißt doch, dass du nicht in die Stadt runterdarfst.«
    Bod wusste genau, dass er gar nicht erst zu vers u chen brauchte, mit seiner Mutter zu reden, wenn sie in dieser Stimmung war. Er schlich sich nach dra u ßen, wo schon die frühe Abenddämmerung anbrach.
    Er ging hinauf zu dem schwarzen Obelisken neben J o siah Worthingtons Grabstein, wo das natürliche Amph i theater war, und schaute auf die Altstadt hi n unter und auf die Lichter der Stadt darum herum.
    Josiah Worthington trat zu ihm.
    » Sie haben den Tanz eröffnet«, sagte Bod zu ihm. »Mit der Oberbürgermeisterin. Sie haben mit ihr g e tanzt.«
    Josiah Worthington sah ihn an und schwieg.
    »Ja, das haben Sie«, sagte Bod.
    »Die Lebenden und die Toten vermischen sich nicht, mein Junge«, sagte Josiah Worthington. »Wir sind nicht mehr Teil von ihrer Welt und sie, sind nicht Teil von un serer. Sollten wir aber den Danse Macabre mit ihnen tanzen, den Totentanz, dann würden wir nicht darüber spr e chen, schon gar nicht mit den Lebenden.«
    »Aber ich bin doch einer von euch.«
    »Noch nicht, mein Junge. Du hast noch ein ganzes Leben vor dir.«
    Und da merkte Bod, dass er getanzt hatte als ein L e bender und nicht als einer aus der Schar derer, die den Hügel heruntergekommen waren. »Ich verstehe … gla u be ich«, sagte er nur.
    Und mit dem Ungestüm eines Zehnjährigen, der es e i lig hatte, rannte er den Berg hinunter, stolperte fast über Digby Poole (1785-1860, Was ich jetzt bin, wirst du bald sein ), rappelte sich wieder auf und hastete zur alten K a pelle, voller Angst, Silas könnte schon fort sein und er würde seinen Vormund nicht mehr a n treffen.
    Bod setzte sich auf die Bank.
    Neben ihm bewegte sich etwas, obwohl er kein G e räusch hörte. »Guten Abend, Bod«, sagte sein Vo r mund.
    »Du warst auch da gestern Abend«, sagte Bod. »Ve r such nicht, es abzustreiten, ich weiß, dass du da warst.«
    »Ja«, sagte Silas.
    »Ich habe mit ihr getanzt. Mit der Dame auf dem we i ßen Pferd.«
    »Wirklich?«
    »Du hast es doch gesehen! Du hast uns beobachtet. Die Lebenden und die Toten haben zusammen g e tanzt. Warum will denn keiner darüber reden?«
    »Weil es Geheimnisse gibt. Weil es Dinge gibt, über die die Menschen nicht reden dürfen. Weil es Dinge gibt, an die sie sich nicht mehr erinnern.«
    »Aber du redest doch jetzt darüber. Wir reden vom Danse Macabre.«
    »Ich habe nicht mitgetanzt«, sagte Silas.
    »Aber du hast es gesehen.«
    »Ich weiß nicht, was ich gesehen habe«, sagte Silas nur.
    »Ich habe mit der Dame getanzt, Silas!«, rief Bod aus. Sein Vormund sah jetzt so bestürzt aus, dass Bod e r schrak, wie ein Kind, das einen schlafenden Panther g e weckt hat.
    »Unser Gespräch ist zu Ende«, war alles, was Silas sagte.
    Bod wollte eigentlich noch etwas sagen – es gab ta u send Dinge, die er noch sagen wollte, egal, wie u n klug es war, sie zu sagen –, doch da wurde er abgelenkt: Ein R a scheln, zart und sanft, und irgendetwas strich ihm über das Gesicht wie eine kalte Feder.
    Die Erinnerung an den Tanz war vergessen und die Angst wich einem Gefühl von Ehrfurcht und Entzü c ken.
    Zum dritten Mal in seinem Leben sah er es.
    »Schau mal, Silas, es schneit!«, rief er und Freude e r füllte ihn und ließ keinen Raum für irgendetwas anderes. »Es ist wirklich Schnee.«

Zwischenspiel

Die Versammlung
     
    Ein kleines Schild in der Hotelhalle kündigte an, dass der Washington-Saal an diesem Abend für eine priv a te Feier reserviert war, obwohl keine Angaben g e macht wurden, was für eine Feier das war. Und wir k lich, wer an diesem Abend einen Blick auf die Gäste im Washington-Saal warf, hatte keine genauere Vo r stellung, was dort vor sich ging. Was bei einem flüc h tigen Blick allerdings sofort auffiel, war die Tatsache, dass nur Männer dort versa m melt waren, keine einzige Frau. Sie saßen an runden g e deckten Tischen und aßen gerade Nachtisch.
    Es waren rund hundert Herren, alle im nüchternen schwarzen Anzug, doch der Anzug war alles, was sie

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