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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sprang auf: »Unterstellung!«
    »Setzen!«, brüllte Havel. »Was wollten Sie sagen, Herr Ferrati?«
    »Irene Beck hat ausgesagt, ihr Exmann ... der Angeklagte also... habe sie mindestens zweimal geschlagen.«

    »Das war kurz vor der Scheidung. Ich habe mich nur gewehrt. . . Himmel, sie hat doch wohl nicht behauptet...«
    »Geben Sie zu, dass Sie Ihre erste Frau geschlagen haben, oder nicht?«
    Mitter schwieg. Rüger erhob sich wieder.
    »Euer Ehren, warum lassen Sie die Anklage Dinge ins Spiel bringen, die mit dem aktuellen Fall nichts zu tun haben?«
    Havels Gesicht war jetzt knallrot.
    »Nun setzen Sie sich endlich. Und die Anklage möge bitte den Sinn dieser Fragen erklären.«
    Wieder lachte Ferrati. Er lachte offenbar immer, wenn er sich an Richter Havel wandte.
    »Ich möchte nur klarstellen, dass der Angeklagte zur Gewaltanwendung neigt.«
    Havel schien nachzudenken.
    »Darf ich den Angeklagten bitten, die Frage zu beantworten«, sagte er dann.
    »Welche Frage?«
    »Ob Sie Ihre erste Frau geschlagen haben oder nicht.«
    Mitter zögerte kurz, dann sagte er:
    »Ich habe ihr im Laufe von dreizehn Jahren zweimal eine Ohrfeige gegeben. Das war offenbar nicht genug.«
    Diese Antwort führte zu ziemlichem Tumult unter den Zuschauern, ein Blick von Havel konnte die Ruhe jedoch wiederherstellen. Während dieser kurzen Pause hatte ein Beisitzer Ferrati etwas ins Ohr geflüstert. Der Staatsanwalt nickte, ging zum Richterpult und stellte eine Frage, die Mitter nicht hören konnte. Havel schien zu zögern, dann nickte er jedoch.
    Ferrati sagte:
    »Haben Sie jemals Ihren Schülern gegenüber Gewalt angewandt, Herr Mitter?«
    »Einspruch!«, rief Rüger und sah nun wirklich empört aus.
    »Abgelehnt«, rief Havel. »Bitte, beantworten Sie diese Frage.«

    »Niemals«, sagte Mitter.
    »Stimmt es dann nicht, dass Ihnen ein Verweis erteilt worden ist, nachdem Sie einen Schüler angegriffen hatten ... soviel ich weiß, war das im März 1983?«
    Ferrati machte ein zufriedenes Gesicht. Mitter schwieg.
    »Wollen Sie nicht antworten ... oder können Sie sich nicht erinnern?«
    »Der Verweis ist mir erteilt worden.«
    »Und doch behaupten Sie, Ihren Schülern gegenüber niemals Gewalt angewandt zu haben?«
    »Ich hatte diesen Verweis nicht verdient ... ich war unschuldig, genauso wie in diesem Fall.«
    Die Reaktion der Zuschauer blieb nicht aus. Diesmal war sie so heftig, dass Havel seinen Hammer betätigen musste.
    »Ich möchte das Publikum um Ruhe bitten ... und der Angeklagte möge die Fragen beantworten, die gestellt werden, mehr nicht.«
    Nun schaltete sich auch Rüger endgültig ein:
    »Euer Ehren, ich finde, das reicht jetzt. Die Anklage stellt nun schon viel zu lange restlos irrelevante Fragen ... und die Absicht liegt doch auf der Hand: Der Angeklagte soll angeschwärzt werden, da keinerlei Beweise vorliegen. Wenn das Verhör fortgesetzt werden soll, dann verlange ich Fragen, die mit dem Fall zu tun haben.«
    Havel sah einen Moment so aus, als wolle er Rüger mit dem Hammer auf den Kopf hauen, dann wandte er sich an Ferrati:
    »Darf ich Sie bitten, zur Sache zu kommen?«
    »Sehr gern.«
    Wieder lächelte Ferrati freundlich, diesmal an die Jury gewandt. Die beiden weiblichen Mitglieder erwiderten dieses Lächeln bereitwillig.
    »Herr Mitter, haben Sie Ihre Gattin ertränkt?«
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie das?«

    »Weil ... ich es nicht getan habe.«
    »Sie meinen, Sie haben sie nicht ermordet, weil Sie sie nicht ermordet haben?«
    Mitter gewährte sich zwei Sekunden Bedenkzeit, ehe er antwortete. Dann sagte er, ruhig und gemessen:
    »Nein, ich weiß , dass ich sie nicht umgebracht habe, weil ich sie nicht umgebracht habe ... so, wie Sie sicher wissen , dass Sie heute keine Spitzenunterhosen tragen, weil Sie eben keine anhaben... heute.«
    Die Tribüne explodierte. Ferrati setzte sich. Havel schlug vergeblich auf den Tisch ein. Rüger schüttelte den Kopf, Mitter dagegen erhob sich würdevoll und bedankte sich mit einer Verbeugung für den Applaus.
    Plötzlich war er strahlender Laune, wenn er sich auch nach einer Zigarette sehnte. Und doch überraschte seine nächste Bemerkung ihn ebenso sehr wie alle anderen.
    »Ich gestehe alles!«, rief er. »Wenn ich nur eine Zigarette bekomme!«
    Als Richter Havel sich endlich wieder Gehör verschaffen konnte, verkündete er:
    »Zwanzig Minuten Pause! Ich bitte Anklage und Verteidigung in mein Zimmer!«
    Und mit einem schallenden Hammerschlag setzte er den Schlusspunkt

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