Das grobmaschige Netz - Roman
Van Veeteren und Münster anderthalb Tage beschäftigen. Dann übernahm eine Neonazi-Organisation die Verantwortung für die Tat, und die Angelegenheit wurde an die staatliche Antiterrortruppe weitergereicht.
Münster fuhr nach Hause und schlief sechzehn Stunden am Stück, Van Veeteren hätte das auch gern gemacht, aber
er musste sich weiterhin um Bismarck kümmern. Der Hündin ging es jetzt so schlecht, dass sie eigentlich nur noch eingeschläfert werden konnte. Er rief Jess an und erklärte ihr die Situation, worauf seine Tochter verlangte, dass er das Tier noch zwei weitere Tage am Leben erhielt, damit sie beim endgültigen Abschied dabei sein könnte.
Schließlich war Bismarck doch ihr Hund.
Van Veeteren kroch während dieser beiden Tage halb wahnsinnig vor Müdigkeit auf dem Küchenboden herum, fütterte die Hündin mit Brei und wischte ihr Erbrochenes mit einem nassen Handtuch auf. Als Jess endlich aufkreuzte, war er vor Wut und Erschöpfung dermaßen lila angelaufen, dass sie es trotz allen Kummers nicht lassen konnte, gegen das vierte Gebot zu verstoßen.
»Kleiner Paps«, sagte sie und pflanzte ihm einen Kuss mitten auf den Mund. »Sollten wir dich nicht auch gleich zum Tierarzt mitnehmen?«
Worauf Van Veeteren in so lautes Gebrüll ausbrach, dass die Witwe Löwe in der Wohnung unter seiner sicherheitshalber die Polizei anrief. Der Dienst habende Beamte, der junge und vielversprechende Widmar Krause, erkannte jedoch die Adresse und wusste auch ein wenig über die Umstände Bescheid. Auf eigene Verantwortung blies er den Einsatz wieder ab.
Jess kümmerte sich um Bismarck und fuhr mit der Hündin zum Tierarzt.
Van Veeteren duschte und rief dann mit ungewöhnlichem Enthusiasmus Münster an.
»Hat Caen sich gemeldet?«, brüllte er in den Hörer.
»Nein«, antwortete Münster.
»Warum, zum Teufel, antwortet der denn nicht?«, fragte nun der Hauptkommissar.
»Wie geht es Bismarck?«, erwiderte der ausgeruhte Münster.
»Halt die Fresse!«, schrie Van Veeteren. »Beantworte meine Frage!«
»Keine Ahnung. Was glaubst du denn selber?«
»Glauben tut man in der Kirche, und Gott ist tot! Gib mir sofort seine Telefonnummer ... und schieb Hiller das Fax hinten rein!«
Münster suchte die Nummer heraus, und eine halbe Stunde später hatte Van Veeteren Erfolg.
»Caen.«
»Eduard Caen?«
»Ja.«
»Hier spricht Hauptkommissar Van Veeteren. Ich rufe aus Maardam in der Alten Welt an.«
»Ja?«
»Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Es tut mir leid, dass Sie so weit weg sind.«
»Worum geht es?«
»Um Eva Ringmar. Ich nehme an, dieser Name ist Ihnen bekannt.«
Caen schwieg einige Sekunden lang.
»Na?«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass ich an meine Schweigepflicht gebunden bin?«
»Ich auch. Darf ich Sie daran erinnern, dass ich Sie zum Verhör hierherbestellen kann, wenn ich will?«
»Ich verstehe. Na gut, Herr Kommissar, was wollen Sie wissen?«
»Ein paar Kleinigkeiten. Erstens, ob Sie mit ihr ein Verhältnis hatten.«
»Natürlich nicht. Ich habe niemals ein Verhältnis mit meinen Patientinnen.«
»Sie sind also nicht deshalb nach Australien gegangen?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Mann! Ich habe wirklich nicht vor, solche ...«
Hier brach die Verbindung vorübergehend ab. Van Veeteren schlug mehrere Male mit dem Hörer auf den Tisch, und nach einem kurzen japanischen Zwischenspiel hatte er Caen wieder an der Strippe.
». . . solche was?«, fragte Van Veeteren.
»Solche Unterstellungen«, antwortete Caen.
»Ich suche einen Mörder«, erklärte Van Veeteren ungerührt. »Einen Mann. Könnten Sie mir weiterhelfen?«
Wieder verstummte Caen.
»Nein«, sagte er dann zögernd. »Nein, wirklich nicht. Ehrlich gesagt, kann ich mich auf Sie verlassen, Kommissar?«
»Natürlich.«
»Ehrlich gesagt, bin ich bei ihr nicht weitergekommen, obwohl es ihr dann ja besser ging. Ich bin eigentlich wegen ihrer Probleme nach dem Tod ihres Sohnes eingeschaltet worden, aber da war noch etwas ...«
Hört sich an, als ob er jedes Wort auf die Goldwaage legte, dachte Van Veeteren. Hat er überhaupt keine Ahnung, was so ein Gespräch um die halbe Erde herum kostet?
»Was denn?«
»Das weiß ich nicht. Aber es gab etwas Verbotenes ... sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, so zu tun ... als ob das nicht der Fall wäre, meine ich. Vielleicht ließ es sich nicht verbergen. Es gab etwas, worüber sie nicht sprechen wollte, das hat sie sogar offen zugegeben ... verstehen Sie? Es
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