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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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vor seinem inneren Auge auf.
    Er saß in der Sofaecke. Er hatte sich wieder angezogen, hier und dort brannte eine Kerze, der Duft von Räucherstäbchen spielte in seinen Nasenlöchern. Eva lief in ihrem Kimono umher und sang ein Lied, es fiel ihm schwer, sie die ganze Zeit im Auge zu behalten ... er hatte ein Glas in der Hand, und er wusste, dass er auf keinen Fall ... auf keinen Fall auch nur noch einen Tropfen trinken durfte ... wenn er den Kopf bewegte, schaukelte das Zimmer ... keinen Tropfen mehr!
    Er trank einen Schluck. Es war guter Wein, das schmeckte er trotz der vielen Zigaretten ... Und nun hörte er die Türklingel. Wer, zum Teufel ...
    Eva rief irgendetwas und verschwand. Ihm war klar, dass sie den Besuch hereinlassen wollte, aber vom Sofa aus konnte er die Diele nicht sehen. Er feixte.

    Ja, er wusste noch, dass er gefeixt hatte, weil er so blau war, dass er nicht wagte, sich umzudrehen. Dann tauchte Eva mit dem Besucher auf, und der Besucher ging vorneweg ... er konnte sein Gesicht nicht sehen, das war ganz einfach zu hoch oben; diese Bewegung war ebenfalls unmöglich ... und der Besucher blieb noch eine ganze Weile stehen, ehe er sich dann hinsetzte, und Eva war irgendwo anders, sie hatte etwas geschrien, aber nun saß der Besuch immerhin; er sah den Oberkörper und die Unterarme, nur die Unterarme, aufgekrempelte Hemdsärmel. . . er rauchte, und auch Mitter nahm sich eine Zigarette, vom Nikotin wurde ihm einen Moment lang schwindlig. Der Rauch brannte scheußlich in seinem Hals, und jetzt konnten sie endlich miteinander reden, und nun beugte der Besucher sich vor, um die Asche von seiner Zigarette abzustreifen, und nun sah er, wer es war.
     
    Er öffnete die Augen, und die Myriaden von Sternen wirbelten ihm entgegen und machten ihn benommen.
    Ich werde das wieder vergessen, dachte er. Es war einen Moment da, aber morgen wird es wieder weg sein.
    Er suchte den Nachttisch nach einem Kugelschreiber ab. Hörte, wie der auf den Boden fiel ... vorsichtig stieg er aus dem Bett, kroch im Dunkeln auf den kalten Steinplatten herum und fand ihn dann schließlich.
    Wo, dachte er. Wo?
    Dann nahm er die Bibel aus der Schublade. Maß mit dem Daumen ab, wo ungefähr sich das Markusevangelium befinden musste, und schrieb dort den Namen des Besuchers hin.
    Schlug die Bibel wieder zu. Legte sie zurück und schloss die Schublade. Ließ sich erschöpft auf die Kissen fallen und spürte, dass irgendetwas in ihm zu zittern begonnen hatte.
    Es kam ihm so vor, als ob eine winzige Flamme irgendetwas in ihm entzündet hätte. Eine winzige Flamme, die er hüten, am Leben erhalten musste.

    Und aus diesem Grund erteilte er sich einen Auftrag, den er am nächsten Morgen sofort erfüllen wollte.
    Er würde dem Besucher einen Brief schreiben.
    Nur eine Zeile.
     
    Er schlief ein. Erwachte dann jedoch wieder.
    Vielleicht würde er auch telefonieren.
    Diesen unsympathischen ... wie hatte er doch noch geheißen? Wenn nur die Flamme nicht erlosch!

22
    Das Gespräch wurde nur wenige Minuten vor der Ablösung an den Dienst habenden Polizisten weitervermittelt.
    Eigentlich wäre die Ablösung schon vor mehreren Stunden fällig gewesen, aber bei Widmar Krauses junger Frau waren in den Morgenstunden die ersten Wehen aufgetreten, und es war ihre erste Schwangerschaft. Erich Klempje musste sich damit abfinden, dass er länger Dienst zu schieben hatte. Er saß zwar schon seit neun Uhr abends hier, aber wozu hat man schließlich Kollegen?
    Nur, bis alles überstanden war.
    Von einer Niederkunft war zwar noch keine Rede, aber die Fahrt ins Krankenhaus, das Warten, die Untersuchung und die Rückfahrt brauchten auch ihre Zeit.
     
    Mechanisch notierte er im schwarzen Ordner.
    11.56, eing. v. Majoren.
    »Polizei, Oberwachtmeister Klempje. Was kann ich für Sie tun?«
    In diesem Moment wurden die Türen aufgerissen, und zwei von der Streife, Jonsu und Kellermann, brachten eine betrunkene Nutte herein.

    »Aber einer nach dem anderen!«, schrie diese. »Und für euch Scheißbullen kostet es das Doppelte!«
    Sie war zwar klein, während Jonsu und Kellermann zusammen an die zweihundert Kilo wiegen mussten, aber es fiel ihnen sichtlich schwer, die Frau auf den Flur zu den Zellen zu bugsieren. Kellermanns Wange war zerkratzt, und Klempje ging davon aus, dass auch die Nutte nicht ohne Verletzungen davonkommen würde, wenn die Kollegen sie erst außer Sichtweite geschafft hätten.
    »Leckt mich am Arsch! Aber putzt euch zuerst die Zähne!«,

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