Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
Vom Netzwerk:
von Anfang an so ... und das hat uns auch unseren guten Ruf eingebracht.«
    »Tatsächlich?«
    »Wenn Sie wüssten, wie viele Schülerinnen sich jedes Schuljahr bei uns bewerben! Über zweitausend. Für zweihundertfünfzig Plätze.«
    Van Veeteren zuckte mit den Schultern und versuchte, den Rücken zu bewegen.
    »War Ihnen Frau Ringmars Vergangenheit bekannt, als Sie sie eingestellt haben?«

    »Sicher, Sie hatte es schwer gehabt. Wir glauben an den Menschen, Herr Kommissar.«
    »Und Sie wissen, was passiert ist, Sie wissen, dass sie und ihr Mann ermordet worden sind?«
    »Wir leben hier nicht in der Isolation, falls Sie das annehmen sollten. Wir lesen Zeitungen und wissen, was in der Welt vor sich geht. Mehr als manche andere, möchte ich behaupten.«
    Van Veeteren fragte sich, ob sie über die Lesegewohnheiten der Polizei informiert sein könnte, er hatte aber keine Lust, sie um genauere Erklärungen zu bitten. Stattdessen zog er einen Zahnstocher hervor. Steckte ihn sich in den Mund und ließ ihn langsam von einem Mundwinkel zum anderen wandern. Di Barboza schob ihre Brille auf die Nasenspitze und musterte ihn kritisch.
    Gleich lässt sie sich noch einmal meinen Dienstausweis zeigen, dachte er. Verdammt, wie so ein kleiner Rückenschmerz unsere Fähigkeiten reduziert.
    »Was möchten Sie sonst noch wissen, Herr Kommissar? Ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Er erhob sich und ging zum Fenster. Reckte sich und schaute in den grauen, diesigen Park. Hinter den Bäumen konnte er noch andere Gebäude sehen, alle aus den gleichen dunkelroten Ziegeln wie das »Refektorium«, in dem die Direktorin residierte, und wie die mannshohe Mauer, die das Anwesen umgab. Nach angelsächsischem Vorbild war die Mauer mit Glasscherben bestückt; er hatte lachen müssen, als er durch das Portal gefahren war ... hatte gelacht und sich gefragt, ob die Damen sich durch die symbolischen Scherben vor Eindringlingen oder Ausbrecherinnen schützen wollten.
    Natürlich hatte er Vorurteile gegen diesen ganzen Ort, er war vollgestopft mit Vorurteilen, und es irritierte ihn ein wenig, dass diese Vorurteile sich nicht besser bestätigten, obwohl
di Barboza ihm doch allerhand gezeigt hatte. Er hatte im großen Speisesaal in Gesellschaft von Hunderten von Frauen in allen möglichen Altersstufen zu Mittag gegessen, die meisten waren natürlich ziemlich jung, aber er hatte nichts von der erwarteten eingesperrten Sexualität bemerkt, von der frustrierten Geschlechtsverleugnung oder was auch immer er sich eingebildet hatte. Vielleicht spielte hier ganz einfach die alte, ehrsame Angst vor Frauen eine Rolle, die Erkenntnis, dass das andere Geschlecht trotz allem mit dem Leben besser fertig wurde.
    Ungefähr auf diese Weise hätte jedenfalls seine Frau die Sache dargestellt, das bezweifelte er nicht eine Sekunde.
    Wenn ich eine Frau wäre, dachte er, weiß der Teufel, dann wäre ich vermutlich ungefähr so geworden wie di Barboza.
    »Na?«, fragte diese.
    »Was denn?«
    »Was möchten Sie sonst noch wissen? Meine Zeit wird langsam knapp, Herr Kommissar.«
    »Zwei Dinge«, antwortete er. »Erstens: Wissen Sie, ob Frau Ringmar während ihrer Zeit an Ihrer Schule eine Beziehung zu irgendeinem Mann hatte ... sie hat doch auch hier gewohnt, war das nicht so?«
    »Sie hatte ein Zimmer im Seitenflügel, ja. Nein, ich weiß nichts von irgendeiner Beziehung. War das eine Frage oder zwei, Herr Kommissar?«
    Er ignorierte diese Zurechtweisung.
    »Könnten Sie mir eine Kollegin nennen, die ihr nahegestanden hat und die vielleicht einige detailliertere Fragen beantworten könnte?«
    Die Direktorin schob ihre Brille hoch und dachte nach.
    »Kempf«, sagte sie dann. »Frau Kempfs Zimmer liegt neben dem, in dem damals Eva Ringmar gewohnt hat. Ich glaube, sie waren miteinander befreundet. Ich weiß zumindest, dass ich sie bisweilen zusammen gesehen habe.«

    »Sie haben selber keinen engeren Kontakt zu den Lehrerinnen, Frau Direktorin?«
    »Nein, ich bin für eine gewisse Distanz. Wir respektieren einander, aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass wir unterschiedliche Aufgaben haben. Unsere Hausregeln haben die Position der Direktorin klar definiert. Und es ist nicht meine Aufgabe, diese Regeln in Frage zu stellen.«
    Sie schaute auf ihre Uhr, die sie an einer Kette um den Hals trug. Van Veeteren fiel ein, was Reinhart vor kurzer Zeit gesagt hatte:
    »Um Frauen, die ihre Armbanduhr um den Hals tragen, mache ich lieber einen Bogen.«
    Er fragte sich, was das

Weitere Kostenlose Bücher