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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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eigentlich bedeuten sollte. Vielleicht lag dieser Bemerkung ja eine sehr tiefe Weisheit zu Grunde, wie so oft, wenn Reinhart irgendeinen Spruch von sich gab.
     
    Auf jeden Fall war er dankbar dafür, dass er nun an die frische Luft durfte. Er überquerte die große Rasenfläche, obwohl di Barboza ihm eingeschärft hatte, auf den Plattenwegen zu bleiben. Er glaubte, ihre Augen in seinem Rücken zu spüren.
    Zwei Mädchen von vielleicht zwölf, die Schürzen über ihren dunkelblauen Schuluniformen trugen, strichen den Stamm eines Obstbaumes weiß an. Er ging vorsichtig näher und erregte durch ein Husten ihre Aufmerksamkeit.
    »Entschuldigung, komme ich auf diesem Weg zum Seitenflügel?«
    »Ja. Dahinten ist der Eingang.«
    Beide zeigten mit ihren Pinseln in die Richtung und kicherten verlegen.
    »Warum malt ihr den Baum weiß an?«
    Sie schauten ihn verwundert an.
    »Keine Ahnung ... das ist uns eben aufgetragen worden.«
    Vermutlich, damit die Hunde der Gegend nicht den Baum bepinkeln, dachte er.

    Es dauerte eine Weile, ehe er bei Frau Kempf zum Zug kam. Sie musste drei Klausuren korrigieren, und sie wollte natürlich auch keine Unterrichtsstunde unterbrechen ... wenn er entschuldigte.
    Das tat er. Während sie ihr Pensum erledigte, saß er hinter ihrem Rücken in einem Sessel und betrachtete sie ... eine recht energische Frau in fortgeschrittenem mittlerem Alter, so alt wie er selber, nahm er an. Er fragte sich, ob di Barboza wirklich recht haben könnte, wenn sie Frau Kempf mit Eva Ringmar zusammenbrachte. Die beiden waren doch mindestens fünfzehn Jahre auseinander gewesen?
    Aber es war doch so. Eva Kempf stellte Teewasser auf und erklärte ... Freundinnen sei vielleicht übertrieben; Frau Ringmar war keine von der Sorte, die sich anvertraute, aber es hatte doch den Anschein gehabt, als brauche sie ... eine ältere Schwester? Ja, so ungefähr. Eva und Eva. Eine große und eine kleine. Und sie waren ja Zimmernachbarinnen gewesen. Was er wissen wollte?
    Zum hundertsten Mal stellte er dieselben Fragen und erhielt dieselben Antworten.
    Nein, von einem Mann wusste sie nichts. Frau Kempf selber war Lesbe, das wollte sie nicht verhehlen ... oder sie war es gewesen; sie hatte sich für immer vom Tummelplatz der Liebe verabschiedet.
    Und das sei wirklich herrlich, das konnte sie ihm versichern.
    Nein, Eva Ringmar sei nicht die Spur lesbisch gewesen, das sah eine Frau doch sofort.
    Aber was war mit Männern?
    Nein, davon wusste sie nichts. Aber wie gesagt, sie wusste schließlich nicht alles. Warum saß er eigentlich so krumm? Hatte er Probleme mit dem Rücken? Wenn er sich aufs Bett legte, könnte sie ihm eine Massage verpassen.
    Denn er hatte doch sicher noch weitere Fragen?

    Van Veeteren zögerte. Aber nicht lange.
    Schlimmer konnte es ja schließlich kaum werden.
     
    »So. Ziehen Sie Ihre Hose etwas nach unten, damit ich drankomme. Na?«
    »Au, verdammt! Nun erzählen Sie, Frau Kempf!«
    »Was denn, Herr Kommissar?«
    »Egal was. Ist sie manchmal verreist? Hat sie Briefe erhalten? Gab es geheimnisvolle Telefongespräche?«
    Sie bohrte ihm den Daumen ins Rückgrat.
    »Sie hat Briefe bekommen.«
    »Von einem Mann?«
    »Schon möglich.«
    »Wie oft?«
    »Nicht sehr oft. Sie bekam überhaupt nicht viel Post.«
    »Wo waren die Briefe abgeschickt worden?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kamen sie aus dem In- oder aus dem Ausland?«
    »Weiß ich nicht. Vielleicht aus dem Ausland.«
    »Aber es gab mehrere Briefe vom selben Absender?«
    »Ja ... und sie stammten wohl von einem Mann.«
    »Warum glauben Sie das? Au!«
    »Das merkt man.«
    »Reisen?«
    »Ja ... ja, sie ist häufiger verreist. Einige Male zu ihrer Mutter. Das hat sie jedenfalls behauptet.«
    »Aber?«
    »Vielleicht hat sie ja gelogen.«
    »Es ist möglich, dass sie Briefe von einem Mann bekam, und es ist möglich, dass sie sich irgendwo mit ihm getroffen hat?«
    »Ja.«
    »Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?«
    »Keine Ahnung, Herr Kommissar. Sie war ein wenig... unzugänglich. Geheimnisvoll ... ich habe sie niemals bedrängt.
Alle haben doch ein Recht auf ihr eigenes Leben... glauben Sie mir, ich war schon mit siebzehn lesbisch.«
    »Oh, verdammt! Vorsichtig ... genau da sitzt es.«
    »Das merke ich, Herr Kommissar. In was für einem Schweinekoben haben Sie eigentlich die letzte Nacht verbracht? Na, weiter?«
    »Wie oft?«
    »Wie oft sie verreist ist, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Zwei, dreimal pro Schuljahr, glaube ich. Aber nur übers Wochenende, zwei

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