Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das größere Wunder: Roman

Das größere Wunder: Roman

Titel: Das größere Wunder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
Vom Netzwerk:
ein paar Jungen, die ihn mit seinem Feuerlöscher einsprühten. Sein Gesicht war kaum noch zu sehen, sogar sein T-Shirt, das er wegen der Sonne trug, war von einer dicken weißen Schicht bedeckt. Er kreischte und rieb sich die Augen, während die angreifenden Jungen um ihn herumsprangen, lachten und ihm vereinzelt Tritte versetzten.
    Es war das erste Mal, dass Jonas Wing Chun außerhalb des Trainings anwandte. Einige seiner Gegner überragten ihn um einen halben Kopf, doch er fühlte keine Angst, nur eine unbezähmbare Wut. Er sprang auf den zu, der den Feuerlöscher in der Hand hielt, und versetzte ihm eine Reihe von Kettenfauststößen ins Gesicht. Der andere kam nicht einmal dazu, zur Abwehr die Arme zu heben, er fiel wie ein Sack ins Wasser. Den nächsten erwischte Jonas mit dem Knie an den Rippen und fühlte, wie sie brachen. Nachdem er einem dritten die Nase blutig geschlagen hatte, war er nur noch von Gebrüll umgeben.
    Bereit, sich jederzeit auf einen weiteren Feind zu stürzen, blickte sich Jonas um. Die meisten der Schaulustigen sahen wie der Rest der Angreifer zu, dass sie davonkamen. Werner verprügelte einen Erwachsenen, und Vera kümmerte sich um Mike, der heulend mit den Armen fuchtelte.
    »Wer sind die Schweine?« fragte sie Jonas.
    »Menschen, die es nicht geben sollte!«
    »Und was haben sie gegen ihn?«
    »Solche Leute müssen keinen Grund haben, um heimtückisch und gemein zu sein! Ich könnte sie umbringen, weiß Gott!«
    Während Werner die Verbliebenen davonjagte, führte Jonas seinen weinenden Bruder ins tiefere Wasser und wusch ihm den Schaum ab.
    »Das Zeug ist ätzend, das weißt du?« fragte Vera. »Das muss sich schnell jemand ansehen.«
    »Ich bringe ihn gleich ins Krankenhaus, aber zuerst muss das mal runter. Mike, halt still! Sie sind weg! Sie kommen nicht zurück!«
    Mike wimmerte und sträubte sich. Jonas umarmte ihn, bis Mike wieder gleichmäßig atmete und sich den Rest des Schaums abwaschen ließ.
    »Kanntest du die?« fragte Werner.
    »Vielleicht habe ich das eine oder andere Gesicht schon mal gesehen, aber mehr nicht.«
    »Wir sollten verschwinden«, sagte Vera. »Hier werden bald die Bullen anrücken.«
    Jonas, der Mike am Arm führte, schaute von Vera zu Werner. Der Gedanke, er könnte Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen, erschien ihm vollkommen absurd.
    »Meinst du?«
    »Also da, wo ich herkomme, würde demnächst die Polizei auftauchen.«
    »Weswegen denn? Die anderen haben angefangen!«
    »Aber die anderen haben verloren. Die, die verloren haben, können sich hinterher nie daran erinnern, dass sie angefangen haben. Wo habt ihr das überhaupt gelernt? Diese Bewegungen?«
    »Von Zach«, sagte Werner.
    »Wer ist Zach?«
    »Das ist gar nicht so leicht zu erklären. Am besten besuchst du uns mal. Dann kannst du dich gleich davon überzeugen, dass wir nicht im Haus des Paten wohnen, oder wie hast du es ausgedrückt? Übrigens ist er unser Großvater, nicht der Vater.«
    An ihrem Liegeplatz packten sie hastig ihre Sachen zusammen. Als Jonas seine Uhr anlegen wollte, suchte er in seiner Sporttasche vergeblich nach ihr. Er hatte sie ganz sicher in das Seitenfach geschoben, doch da war sie nicht mehr.
    »Mike, hast du mit meiner Uhr gespielt?«
    Mike schüttelte den Kopf.
    »Ganz sicher nicht?«
    Mike fauchte zornig auf und schüttelte ruckartig den Kopf.
    »Ich finde meine auch nicht!« rief Werner. »Genauso wenig wie meine Geldbörse!«
    »Na toll. Alles weg.«
    »Man könnte meinen, die hätten hier etwas gegen euch«, sagte Vera.
    »Was machen wir jetzt?« fragte Jonas. »Wir müssen Mike ins Krankenhaus bringen, die werden ihm was für seine Haut geben.«
    »Ich kann meine Mutter anrufen und bitten, dass sie uns mit dem Auto abholt.«
    »Nett von dir, aber wir rufen doch eher bei uns zu Hause an.«
    Jonas lief zum nahe gelegenen Gasthaus, wo es ein Telefon gab. An einem Tisch vor dem Gebäude stieß er auf ein paar der Jungen, die Mike überfallen hatten.
    »Das kriegt ihr zurück!« sagte der, dem Jonas die Nase eingeschlagen hatte, er saß mit zurückgelegtem Kopf da und presste sich ein blutgetränktes Taschentuch ins Gesicht.
    »Zuerst wollen wir unser Geld und unsere Uhren.«
    »Welches Geld? Und was für Uhren?«
    »Stellt euch nicht dumm. Wir wollen alles wieder. Jetzt, sofort.«
    Die Jungen saßen schweigend da. Einige feixten, andere schauten zu Boden.
    »Auch gut«, sagte Jonas. »Morgen bringt einer von euch die Sachen zurück. Ihr könnt sie hier im Gasthaus

Weitere Kostenlose Bücher