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Das größere Wunder: Roman

Das größere Wunder: Roman

Titel: Das größere Wunder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Männern und Frauen einführte, die so süchtig nach dem existentiellen Ereignis einer Sonnenfinsternis waren, dass sie sich oftmals schon Wochen davor an den reizvollsten Orten verabredeten, um die Zeit bis zu jenen magischen drei oder vier oder gar fünf Minuten mit Partys, Sex und Gesprächen zu verbringen, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen, neue Drogen auszuprobieren und abenteuerliche Ausflüge zu unternehmen. Jonas war nicht besonders gesellig, doch unter diesen Jüngern der Sonnenfinsternis, die argwöhnisch darüber wachten, dass sich niemand in ihren Kreis einschlich, der nicht zu ihnen passte, gab es einige unkonventionelle Leute, die selbst bloß ein paar aufregende Tage erleben wollten. Die Frau neben ihm hier in dieser Bar – er kannte sie, er war mit ihr zusammengetroffen, irgendwann, irgendwo, in Kapstadt oder in Patagonien.
    Einer von den Männern, die ihm Marie vorgestellt hatte, Sebastien, war es auch gewesen, der ihm die Augen dafür geöffnet hatte, wie berühmt Marie als Musikerin wirklich war. Jonas war nämlich mit einem Star zusammen. Nicht ganz so berühmt, dass Passanten bei ihrem Anblick zu kreischen begannen, aber doch berühmt genug, um in jeder Großstadt trotz Sonnenbrille um Autogramme gebeten zu werden, im Hotel, in der Bar, im Bus, im Taxi.
    »Dich lässt das völlig kalt, wie?« fragte sie.
    »Natürlich, warum?«
    »Weil Berühmtheit den meisten Menschen auf lästige Weise imponiert oder sie einschüchtert. Du bist der erste Mann, dem das gleichgültig zu sein scheint.«
    »Mir imponiert nicht deine Berühmtheit, sondern wie gut das ist, was du machst. Der Rest ist mir egal. Hauptsache, du hast Freude an dem, was du tust, und die Leute lassen uns in Ruhe.«
    »Prominenz fasziniert dich nicht? Der rätselhafte Zauber vielfach abgebildeter Gesichter?«
    »Nicht die Spur.«
    »Sexy«, sagte sie.
    »Ach was«, sagte er. »Normal ist das.«
     
    Hadan war noch nicht da. Jonas ging zu Padang, um sich zu bedanken und die drei Tabletten zurückzugeben, die er nicht gebraucht hatte.
    »Ah, hat die eine geholfen?«
    Der Sherpa lachte über das ganze Gesicht.
    »Und wie! Du hast mich gerettet, mein Freund!«
    Der Sherpa strahlte noch mehr.
    »Dieses Grinsen finde ich allmählich doch verdächtig«, sagte Jonas.
    »Und ich finde es schön, wie gut Bonbons gegen Krankheit helfen. Nepalesische Bonbons, ich werde damit ein großes Geschäft aufziehen. Willst du welche mit nach Hause nehmen? Sagen wir, zwanzig Dollar das Stück! Sind sie eindeutig wert, oder?«
    »Padang, du krummer Hund, du hast mir ein Placebo gegeben?«
    »Ich bin ja kein Arzt! Ich trage eine Verantwortung für Leute wie dich, ich gebe dir bestimmt keine Pillen, die dir vorgaukeln, es würde dir gutgehen.«
    »Padang, du hast mir Bonbons gegeben und mich mit Fieber in den Eisbruch laufen lassen?«
    »Genau.«
    »Bist du des Wahnsinns?«
    »Ach was. Wenn du zusammenbrichst, dann wohl bald, und für diesen Fall war Dawa bei dir.«
    »Wer ist Dawa?«
    »Der junge Sherpa, den ich dir mitgeschickt habe. Er ist mein Cousin. Er war die ganze Zeit neben dir, er hat dich bis kurz vor Lager 1 begleitet. Er sagte, du hast dich bis zuletzt gut gefühlt und nicht krank gewirkt. Hast du ihn vergessen?«
    »An den größten Teil der Strecke kann ich mich nicht erinnern. Außerdem war es anfangs noch dunkel.«
    »Macht nichts, ist ja alles gut gelaufen.«
    »Wissen Hadan und Helen von der Geschichte?«
    Der Sherpa schüttelte den Kopf.
    »Das bleibt unser Geheimnis. Auch in meinem Interesse. Die Expeditionsleiter wissen selten alles, sie glauben das nur. Und wir lassen sie gern in dem Glauben. Wichtig ist, dass niemandem etwas zustößt.«
    Hadan erschien mit einem knorrigen Gruß und postierte sich an einer zentralen Stelle des Messezelts, während Jonas darüber nachsann, was nun eigentlich mit ihm und seinem Körper an jenem Morgen passiert war. Er hatte sich inzwischen an seine ominösen Fieberschübe gewöhnt, doch dieser war anders gewesen, er war zu schnell vorbeigegangen.
    »Heute habe ich nur zwei Dinge anzusprechen«, sagte Hadan.
    »Mehr können wir uns auch nicht merken«, krächzte Sam.
    »Zum einen bitte ich euch, die Kontakte zum bulgarischen Team auf das Allernötigste zu reduzieren. Sollte die eine oder andere Rechnung offenbleiben, ist nach dem Gipfel Zeit genug, sie zu begleichen. Ich will vorher keine Reibereien, keine weiteren Zwischenfälle, keinen Ärger, denn all das bedeutet nichts als Stress, und weiteren

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