Das große Anime Lösungsbuch: Endlich Japanisch verstehen! (German Edition)
beschäftigen. Es macht wesentlich mehr Spaß, das Verhältnis zwischen Personen zu beobachten, mitzuverfolgen, wie sich Streitigkeiten und Missverständnisse entwickeln und wieder auflösen, als einem muskelbepackten Superhelden dabei zuzusehen, wie er die Erde rettet. Was das mit der Liebe der Japaner zur Entschuldigung zu tun hat? Ganz einfach:
Solange ICH als Einzelperson wichtiger bin als die Gruppe, muss ich mir zweimal überlegen, ob ich mich entschuldige. Mit der Bitte um Verzeihung nehme ich eine Schuld auf mich und stufe mich damit gegenüber den anderen herunter, die keine Schuld auf sich geladen haben und nicht um Verzeihung zu bitten brauchen. Ich ent- schuldige mich zwar, brandmarke mich damit aber als den Menschen, der einen Fehler gemacht hat. Deshalb ist es in unseren individualistisch ausgerichteten westlichen Gesellschaften nicht einfach, „sorry“ zu sagen. Eine Insider-Info: Japaner hassen Menschen, die sich nicht entschuldigen, und wenn diese friedliebenden Menschen in Deutschland irgendetwas auf die Palme bringt, dann, dass sich in manchen deutschen Firmen plötzlich niemand mehr zuständig fühlt, wenn ein Fehler passiert ist.
In Gesellschaften, die auf die Gruppe ausgerichtet sind, heißt „Entschuldigung“ nicht „Ich bin der Kerl, der den Fehler gemacht hat – vierteilt mich“, sondern „Ich nehme die Schuld auf mich, damit die Gruppe weiter funktionieren kann und sich nicht mit Streitereien aufhalten muss“. Ein europäischer oder amerikanischer Held läuft Gefahr, seinen Heldenstatus zu verlieren, sobald er seine Schuld zugibt – ein japanischer Held beweist dadurch gerade seine Heldenhaftigkeit. Deshalb sind oft die schönsten und ergreifendsten Szenen in den Animes jene, in denen die Personen sich entschuldigen.
Sumimasen ist wahrscheinlich das erste Wort, das einem bei einem Japanaufenthalt im Ohr bleibt. Ein leichtes, höfliches „Pardon“ für jede Lebenslage. Schon im Flugzeug fängt es an: Sumimasen , könnten Sie mich bitte durchlassen? Sumimasen , darf ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten? Sumimasen , danke, dass Sie mir den leeren Becher zurückgeben. Man verwendet es, um Leute anzusprechen, um sich zu bedanken, oder einfach, um irgendetwas zu sagen. Sumimasen ist eine Art Lächeln in gesprochener Form, ein Stück Zuwendung an das Gegenüber, ohne tiefe Bedeutung, etwas, um den gesellschaftlichen Umgang angenehmer, weicher zu gestalten. Man könnte fast sagen, sumimasen ölt die Kommunikation zwischen den Menschen.
Wie im Grammatik-Teil dieses Buches näher ausgeführt wird, gibt es in der japanischen Sprache (mindestens) zwei Höflichkeitsebenen, und was zwischen fremden Menschen sumimasen heißt, wird zwischen Freunden oder Bekannten rasch zu sumanai . Davon gibt es eine noch kürzere Form suman , wie überhaupt in lässiger Sprache die Endung -nai oft zu einem -n gekürzt wird. Auch Vergangenheitsformen wie sumimasen deshita oder lockerer sumanakatta hört man ab und zu, wenn man sich im Nachhinein für etwas entschuldigen möchte.
All diese Wörter haben keinen besonders starken Klang, weil sie ständig und bei jeder Gelegenheit verwendet werden. Wer sich wirklich für einen Fehler entschuldigen möchte, benutzt lieber gomen nasai , oder kürzer und freundschaftlicher gomen . Durch Zugabe der kleinen Wörter, die man Partikeln nennt, erreicht man verschiedene Nuancen: gomen ne macht es weicher („du, das tut mir jetzt aber echt Leid“), gomen yo bekommt mehr Nachdruck („Mann, tut mir das Leid“).
Ganz und gar untröstlich wirkt môshiwake nai („Ich kann nicht sagen, wie Leid es mir tut“) oder in der höflicheren Form môshiwake arimasen .
Fast schon verzweifelt klingt yurushite oder yurushite kudasai , meist flehend vorgetragen. Es bedeutet „bitte vergib mir“.
Interessant auch das Wort warukatta . Eigentlich ist es nur die Vergangenheitsform des Wortes für „schlecht“ warui und könnte übersetzt werden mit „es war schlecht“. Warukatta bedeutet aber auch „ich war schlecht“, „ich habe einen Fehler gemacht“. Dieses Wort klingt sehr aufrichtig. Man entschuldigt sich nicht einfach nach aussen hin, sondern bereut tatsächlich, was man getan hat.
Ein häufiges Wort der Entschuldigung ist shitsurei , in der höflicheren Form shitsurei shimasu . Wörtlich übersetzt bedeutet shitsurei eine „Taktlosigkeit“, damit heißt shitsurei shimasu „ich begehe eine Taktlosigkeit“. Allerdings erklärt das noch nicht viel, denn die
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