Das große Doppelspiel
daß das, was Sie am Wochenende für uns tun
könnten, sehr wohl den weiteren Verlauf des ganzen Krieges
beeinflussen könnte, meine liebe Geneviève.«
Michael, der Friseur, war ein kleiner geschniegelter
Mann mittleren Alters mit schwarzem Haar und weißen Koteletten,
und Julie war offensichtlich recht gut mit ihm bekannt.
»O ja«, sagte er, als er Geneviève sah, »erstaunlich, wirklich ganz erstaunlich.«
Er öffnete einen abgeschabten braunen Koffer, der
mit allen möglichen Dingen, vor allem Schminkutensilien,
gefüllt war, und nahm eine Akte heraus.
»Ich habe mir alles angesehen, aber dies ist
noch besser, als ich dachte.« Er zog sein beiges Cordjackett aus
und holte einen Kamm und ein Rasiermesser aus dem Koffer. »Fangen
wir am besten gleich an.«
»Sie könnten nicht in besseren Händen
sein«, sagte Julie zu Geneviève, als sie ihr ein
Frotteetuch um die Schultern legte. »Michael war jahrelang
Schminkmeister in den Filmstudios von Elstree.«
»Stimmt«, sagte er, während er ihr
mit dem Kamm durchs Haar fuhr. »Ich habe für Sir Alexander
Korda gearbeitet, und ich habe Charles Laughton geschminkt, als der
Heinrich Vm. spielte. Keine leichte Sache, das kann ich Ihnen sagen.
Dauerte Stunden, jeden Morgen. In meinem
Alter muß man sich das Leben natürlich ein bißchen
leichter machen. Ich leite jetzt ein Theater in Falmouth. Jede Woche
eine andere Show. Zu uns kommen viele Matrosen, weil es ein
Marinestützpunkt ist, ein großer Vorteil.«
Sie sah im Spiegel zu, wie sie von Minute zu Minute
mehr zu ihrer Schwester wurde. Nicht nur das Haar, das war der
leichtere Teil, obgleich er ganz genau wußte, was er tat. Da ein
wenig mehr Lippenstift, dann das Rouge, das er sorgfältig auf
ihren Wangen verteilte, die Wimperntusche und das Parfüm, Chanel
N° 5, eine Marke, die sie nie benutzt hatte.
Er arbeitete ungefähr eineinhalb Stunden, dann
war die Ver wandlung komplett. Als er fertig war, nickte er mit
offensicht licher Befriedigung.
»Ich will mich ja nicht selbst loben, aber
… wunderschön.« Er nahm eine kleine Schminktasche aus
Saffianleder aus dem Koffer. »Hier finden Sie alles, was Sie
brauchen werden, meine Liebe. Denken Sie daran, immer viel aufzutragen.
Das wird Ihr größtes Problem sein. Sie haben etwas dagegen,
weil Sie nicht der Typ sind, der viel Make-up benutzt, das kann man
sehen.« Er klappte den Koffer zu und tätschelte sie ganz
leicht auf die Wange. »Ich muß weiter. Habe heute abend
eine Show.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.
Geneviève saß da und be trachtete sich. Ich, und doch
eine andere, dachte sie.
Julie bot ihr eine Zigarette an. »Rauchen Sie
eine Gitane.« Sie wollte ablehnen, doch Julie kam ihr zuvor:
»Anne-Marie würde es tun. Sie müssen sich langsam daran
gewöhnen.«
Geneviève nahm die Zigarette und ließ
sich Feuer geben und hustete heftig, als der Rauch ihre Kehle
erreichte.
»Gut«, sagte Julie ungerührt.
»Jetzt gehen Sie und zeigen Sie sich Craig. Er ist auf dem
Schießstand im Keller und wartet auf Sie.«
Die Kellertür war neben der mit
grünem Filz bespannten Tür, die zur Küche führte,
und als Geneviève sie aufmachte, konnte sie dumpfe Schüsse
hören. Der Schießstand bestand aus zwei Kellerräumen,
deren Zwischenwand man zum Teil he rausgebrochen hatte. Das andere
Ende war hell beleuchtet, so daß man die aus Pappe geschnittenen
Silhouetten, die deutsche Soldaten darstellten, und die dahinter
stehenden Sandsäcke deutlich sehen konnte. Craig Osbourne stand an
einem Tisch, auf dem mehrere Waffen lagen, und lud einen Revolver. Er
hörte sie kommen, warf einen Blick über die Schulter hinweg
und erstarrte. »Großer Gott!«
»Das heißt ja wohl, daß ich für meine Schwester durchgehen werde.«
Er war ganz blaß geworden. »Ja, das kann
man wohl sagen. Es ist atemberaubend. Trotzdem.« Er schob das
Magazin hin ein. »Sie sagen, Sie haben noch nie
geschossen?«
»Doch, einmal, mit einem Gewehr auf dem Jahrmarkt.«
Er lächelte. »Immerhin. Ich werde nicht
versuchen, Ihnen mehr zu erklären als die beiden Handfeuerwaffen,
denen Sie wahrscheinlich begegnen werden, und wie Sie mit ihnen um
gehen müssen.«
»Aus möglichst großer Nähe, sagten Sie doch?«
»Sie glauben, es ist leicht, so, wie es sich in
einem Cowboy film ansieht? Na schön, sehen wir, wie Sie damit
zurechtkom men.« Er gab ihr den Revolver. »Nicht zu
weit, nur fünfzehn Meter. Zielen Sie auf das mittlere Ziel. Sie
brauchen nur den Abzug nach
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