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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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hinten zu ziehen.«
    Der Revolver war sehr schwer, was sie
überraschte, aber ihre Hand paßte ohne weiteres um den
Kolben. Außerdem empfand sie es natürlich als eine
Herausforderung, ihm zu zeigen, was sie konnte. Sie streckte den Arm
aus, kniff ein Auge zu, spähte den Lauf entlang, zog ab und
verfehlte die Silhouette.
    »Beim erstenmal ist es immer ein
Schock«, sagte er. »Man hält es nicht für
möglich. Ich meine, wie man einen Mann ver­ fehlen kann, der
so nahe steht.«
    Er drehte sich um, ging in die Hocke und feuerte, ohne
daß sie ihn zielen sah, einige Male sehr schnell hintereinander.
Als die Echos erstarben, sah sie ein sauberes Muster von vier
Lö­ chern im Herzen des mittleren Mannes. Er blieb noch einen
Augenblick, Kraft und Beherrschung ausstrahlend, hocken, als wäre
er selbst eine höchst wirksame tödliche Waffe. Als er sich
aufgerichtet hatte und sie anblickte, sah sie in seinen grauen Augen
nur den Killer.
    »Dazu gehört allerdings ein bißchen
Training.« Er legte den Revolver hin und nahm zwei andere Waffen.
»Die Luger und die Walther sind beides automatische Pistolen und
werden bei den deutschen Streitkräften oft verwendet. Ich werde
Ihnen zeigen, wie man sie lädt und wie man damit schießt.
Viel mehr kann ich in der kurzen Zeit nicht tun. Aber dies ist ohnehin
nicht Ihr Fach, nicht wahr?«
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Geneviève ruhig.
    Er zeigte ihr die nächsten zwanzig Minuten lang
geduldig, wie man ein Pistolenmagazin nachfüllt, wie man es
hinein­ schiebt und wie man den Hahn spannt, um zu feuern. Erst als
sie bewiesen hatte, daß sie die drei Schritte beherrschte, ging
er mit ihr zum anderen Ende des Schießstands.
    Sie hatte jetzt eine Walther in der Hand, mit einem
aufge­ schraubten Carswell-Schalldämpfer, der für die SOE
zum laut­ losen Töten entwickelt worden war.
    Sie blieben einen Meter von den Zielen entfernt
stehen. »Nahe am Ziel«, sagte er. »Aber gehen Sie
nicht zu nahe ran, falls er versucht, Sie zu packen, denken Sie
daran.«
    »Gut.«
    »Jetzt in Taillenhöhe halten, Schultern zurück und drücken, nicht ziehen.«
    Sie machte unwillkürlich die Augen
zu, als sie feuerte, und als sie sie wieder öffnete, sah sie,
daß sie das Ziel in den Bauch getroffen hatte.
    »Sehr gut«, sagte Craig Osbourne.
»Habe ich nicht gesagt, es ist ganz leicht, wenn man nur nahe
genug dran ist? Jetzt noch mal.«

    Sie verbrachte den späten Nachmittag und den
frühen Abend damit, die Unterlagen über die Leute im
Schloß immer wieder durchzugehen, so oft, bis sie wirklich das
Gefühl hatte, alles über diese Menschen zu wissen. Dann ging
sie zu einer weite­ ren langen Sitzung mit René in die
Bibliothek.
    Später aß sie mit Craig, Munro, René
und Julie, die hervor­ ragend gekocht hatte, in der Küche. Es
gab Steak und Nieren­ pastete, Bratkartoffeln und Kohl und als
Nachtisch einen Ap­ felkuchen. Auch Wein stand auf dem Tisch, ein
ausgezeichne­ ter roter Burgunder, aber selbst er konnte Craig
nicht aufmun­ tern. Er wirkte mürrisch und in sich gekehrt.
    »Ein großartiges traditionelles englisches
Essen«, sagte Munro und gab Julie einen Kuß auf die Wange.
»Es muß Sie als Französin einiges gekostet
haben.« Er wandte sich zu Craig. »Ich denke, ich mache ein
paar Schritte runter zum Pub. Möch­ ten Sie mitkommen?«
    »Ich denke nicht«, erwiderte Craig.
    »Wie Sie wollen, mein Junge. Und Sie, René? Wie wär’s mit einem Gläschen?«
    »Ich laß mich nicht zweimal bitten, mon général.« René lachte, und sie gingen zusammen hinaus.
    Julie sagte: »Ich werde den Kaffee ins blaue
Zimmer brin­ gen, Craig. Zeigen Sie Geneviève den
Weg.«
    Es war ein hübsches Wohnzimmer neben
der Bibliothek, mit behaglichen Möbeln und einem Kamin, in dem ein
Feuer brannte, und in der einen Ecke stand ein Flügel.
    Geneviève klappte den Deckel hoch und
arretierte ihn sorg­ fältig. Es hatte eine Zeit gegeben, als
Klavierspielen ihre Lieb­ lingsbeschäftigung und ihr
Berufsziel gewesen war, aber das Leben läuft selten so, wie man es
haben möchte.
    Sie fing an, ein Prélude von Chopin zu spielen,
dunkle, lang­ same, kraftvolle Akkorde in den Bässen, und dann
die zarten Töne der Melodie. Julie war mit dem Tablett
hereingekommen und stellte es auf einen niedrigen Tisch am Kamin, und
Craig näherte sich, lehnte sich an das andere Ende des
Flügels und beobachtete Geneviève.
    Seine Augen hatten etwas Fragendes, als sie Clair de lune zu
spielen begann. Sie spielte

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