Das große Doppelspiel
weiter,
die Sie gehört oder gelesen haben. Er hat ein Funkgerät. Er
kann über die Übertragungsstation an der Küste
Verbindung mit uns hier aufnehmen.«
»Mit uns hier?« wiederholte sie.
»Aber außer Ihren beiden Freunden habe ich hier gestern
nacht niemanden gesehen.«
»Sie treten nur nicht in Erscheinung, das ist
alles. Aber ich versichere Ihnen, wir haben eine sehr tüchtige
Funkmann schaft, und dann haben wir noch einen ausgezeichneten
Ko stümfundus. Für den ist Julie verantwortlich. Ob
Uniformen oder Zivil oder Dokumente, es gibt kaum etwas, das sie nicht
beschaffen kann.«
Sie standen da und schwiegen. Schließlich sagte
er, beinahe zärtlich: »Gibt es etwas, das ich für Sie
tun kann?«
»Anne-Marie. Ich mache mir Sorgen um sie. Wenn mir et was passiert …«
»Ich werde mich um sie kümmern. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
Er hob ihr Kinn mit einem Finger an. »Und Ihnen
wird nichts passieren. Das Glück ist auf Ihrer Seite. Ich sehe
es.«
Sie war beinahe in Tränen aufgelöst, auf
einmal schrecklich verwundbar. »Und wie, bitte, können Sie
so was sehen?«
»Ich hab’ in Yale studiert«, sagte er nur.
Sie arbeitete den ganzen Vormittag mit den
schriftlichen Un terlagen. Julie hatte ihr gesagt, daß sie
mittags rechtzeitig zum Pub gehen solle, und so hörte sie kurz
nach zwölf Uhr auf zu arbeiten, nahm eine Lammfelljacke, die im
Garderobenschrank in der Halle hing, und spazierte zum Dorf.
Sie blieb am Kai stehen und schaute hinunter zur Lili Mar len, deren Deck gerade von ein paar Besatzungsmitgliedern geschrubbt wurde. Hare beugte sich aus dem Fenster des Ru derhauses.
»Warum kommen Sie nicht an Bord?«
»Oh, gern, danke für die Einladung.«
Sie ging vorsichtig die schmale Gangway hinunter, und
einer der Männer reichte ihr die Hand und half ihr an Bord.
»Hier rauf«, rief Hare.
Sie stieg die Stahlleiter hinauf und folgte ihm ins Ruderhaus. »Sehr hübsch«, sagte sie.
»Sie mögen Schiffe?«
»Ja, sehr.«
»Es ist ein Torpedoboot. Die Deutschen nennen es
Schnell boot, und es ist wirklich sehr schnell. Nicht gerade ein
Vergnü gungsdampfer, aber so ziemlich das
leistungsfähigste, was es in dieser Größe gibt.«
»Wie schnell?«
»Drei Dieselmotoren von Daimler-Benz und ein paar Ver
besserungen, die die Briten vorgenommen haben. Damit kommt es auf fünfundvierzig Knoten.«
Sie fuhr mit der Hand leicht über das Instrumentenbrett. »Ich würde gern mal mitfahren.«
»Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.«
Er ging mit ihr in den Maschinenraum, die winzige
Kombü se, die Kajüte, die als Offiziersmesse diente, die
kleine Kabine, in der er schlief. Sie betrachtete die beiden
Torpedorohre, setz te sich hinter die 20-Millimeter-Bordkanone auf
dem Vorder deck und begutachtete die Bofors-Zwillingsflak, die auf
das Achterdeck montiert war.
Als der Rundgang beendet war, sagte sie: »Es ist sehr beein druckend. Soviel auf so kleinem Raum.«
»Ich weiß«, sagte er. »Die
Deutschen sind sehr gründlich. Sehr tüchtig. Ich muß es
wissen. Meine Mutter war Deutsche.«
»Schämen Sie sich deshalb?« fragte sie.
»Ich schäme mich nur für Hitler,
Goebbels, Himmler und die anderen. Ja. Aber ich danke Gott für
Goethe, Schiller, Beetho ven und noch ein paar, die ich jetzt
nicht aufzähle.«
Sie stellte sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen
Kuß auf die Wange. »Ich mag Sie, Martin Hare.«
Er lächelte herzlich. »Oh, behalten Sie das
besser für sich. Ich bin fast ein Vierteljahrhundert älter
als Sie, aber ich könnte Ihnen trotzdem noch gefährlich
werden.«
»Leere Versprechungen«, sagte sie. »Das ist alles, was ich bekomme.«
»Nein, Sie bekommen noch einen Lunch.« Und
er nahm ihre Hand und führte sie über die Gangway an Land.
Alle Dorfbewohner schienen sich im »Gehenkten« versam melt zu haben. Die Crew der Lili Marlen, Craig,
sogar Joe Edge am Ende der Theke, alle schienen gut aufgelegt und
machten lächelnde Gesichter. Julie reichte
Blätterteigpasteten zur Küchentür hinaus, und Schmidt
verteilte sie unter den übli chen launigen Bemerkungen an die
anderen.
Er brachte Geneviève, Hare und Craig drei davon
an den Tisch beim Fenster. »Alles andere als koscher, aber sie
riechen verdammt gut«, sagte er.
Craig schien bessere Laune zu haben als am Morgen. Er
und Hare tauschten Scherze aus und tranken Bier zu ihrer Pastete,
während Geneviève wieder eine Gitane probierte. Sie
hätte es ungern zugegeben, aber sie begann, Gefallen an
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