Das große Doppelspiel
hinter der angelehnten Tür stand, konnte
alles deut lich hören.
Hare sagte: »Überfahrt bei Tag. Das ist sehr riskant.«
»Es wäre nicht das erstemal«, erinnerte Langsdorff ihn.
Schmidt grinste. »Für die tapferen Männer der Kriegsmarine ist nichts unmöglich.«
Hare wandte sich an Craig. »Dann machen wir’s.«
Craig sagte: »Ich bringe Julie nach oben ins
Haus. Ich brau che ein paar Sachen aus dem Kostümfundus, und
sie kann ei nen Funkspruch an den Großen Pierre
veranlassen.«
Edge war schon wieder draußen und lief zu seinem
Jeep. Er setzte sich ans Steuer und raste los, als die Crew den
»Gehenk ten« verließ.
Als Craig und Julie in den anderen Jeep stiegen,
lächelte Ha re trocken. »Oje, da geht meine Karriere
den Bach runter.«
»Welche Karriere?« fragte Craig breit lächelnd und fuhr los.
Er wählte aus Julies Fundus die schwarze Ausgehuniform eines Standartenführers der Charlemagne-Brigade der WaffenSS.
Julie trat ins Zimmer. »Da ist der SS-Ausweis,
den du haben wolltest. Ich hab’ ihn auf den Namen Henri Legrande
ausstel len lassen. Vielleicht bringt es Glück.«
Craig legte die Uniform zusammen. »Ich ziehe
Schwarz vor, wenn es hart auf hart geht«, sagte er. »Die
Leute werden dann automatisch gottesfürchtig.«
»Was soll ich dem Großen Pierre sagen?«
»Er soll um sechs am Anleger in Grosnez sein,
und er muß mir ein geeignetes Militärfahrzeug verschaffen,
einen Kübel wagen oder so.«
»In Ordnung. Ich werde dafür sorgen.«
Craig lächelte sie an. »Du bist dir doch
bewußt, daß Munro dich vor ein Peloton stellen lassen wird,
wenn er hier ist.«
»Zum Teufel mit Munro.«
Die Tür knarrte, und als sie sich umdrehten, kam
Edge mit vorgehaltener Pistole herein. »Sie werden nirgends
hinfahren, alter Junge. Ich habe gerade mit General Munro telefoniert,
und er hat mir befohlen, dafür zu sorgen, daß Sie
hierbleiben.«
»Ach, tatsächlich?« sagte Craig und
schleuderte den SSUniformrock gegen Edges Hand, so daß er die
Walther ver deckte, und schlug im selben Moment den Arm des
anderen gegen die Wand und gab ihm mit der Linken einen Kinnhaken. Edge
ließ die Waffe fallen und taumelte. Craig packte ihn am Kragen
und zerrte ihn zu dem großen Arbeitstisch. »Gib mir ein
Paar von den Handschellen«, sagte er zu Julie. Sie tat es, und er
fesselte Edges Arm an ein Tischbein. »Laß ihn da, bis Munro
und Jack Carter herkommen.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und
küßte ihn auf die Wange. »Paß auf dich auf,
Craig.«
»Tu ich das nicht immer?«
Er ging hinaus, die Haustür fiel ins Schloß, und einen Mo
ment später hörte sie, wie der Jeep angelassen wurde.
Sie seufzte, ließ Edge, wo er war, und eilte in den Funkraum.
Eine halbe Stunde später spazierte Julie zum Ende des Gar
tens, von wo sie bis zum Dorf hinuntersehen konnte. Der Wind trieb
fahlgrauen Dunst vom Meer her. Es würde eine unruhige
Überfahrt werden. Während sie zuschaute, verließ die Lili Mar len den
Hafen und wurde allmählich wie ein Gespenst von den Dunstschwaden
verschluckt, bis auch die schwarzweißrote Flagge der Kriegsmarine
am Göschstock im Grau ver schwamm.
14
Als die Lili Marlen in Cold Harbour ablegte,
fuhr Feldmar schall Erwin Rommel im Ehrenhof von Schloß
Voincourt vor, und Geneviève wartete am Portal, um ihn zusammen
mit ihrer Tante, Max Priem und Ziemke und dessen Stab zu
begrüßen.
Der Begleitkonvoi war in Anbetracht der Bedeutung des
Ga stes überraschend klein, drei Limousinen und vier
Feldgendar men auf Motorrädern. Rommel, ein kleiner,
untersetzter Mann in einem Ledermantel, saß in einem offenen
Mercedes. Gene viève sah zu, wie er salutierte und General
Ziemke und Seil heimer, den SS-Brigadegeneral, per Handschlag
begrüßte, und dann stellte Ziemke ihre Tante vor. Einen
Augenblick später war Geneviève an der Reihe.
Sein Französisch war ausgezeichnet. »Enchanté, Mademoi selle.« Er
sah ihr in die Augen, wie um sie auf die Probe zu stellen, und sie war
sich einen Moment lang der Kraft und Energie des großen Soldaten
bewußt. Er senkte den Kopf und gab ihr einen Handkuß.
Sie gingen in die Halle. Hortense sagte zu Ziemke:
»Wir ziehen uns jetzt zurück. Sie haben zweifellos wichtige
Dinge zu besprechen. Herr Feldmarschall – ich denke, wir sehen
uns heute abend?«
»Ich freue mich darauf, Gräfin.« Rommel salutierte.
Als sie die Treppe hinaufgingen, sagte
Geneviève: »1942 wurden gewisse Teile der
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