Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
vorbeikommen?«
Martina Wember schafft es, mir das Buch rechtzeitig aus Berlin in meine Sprachschule zu schicken, ich klemme es mir unter den Arm und mache mich auf den Weg. Und lande auf dem Sofa einer wunderschönen Belle-Epoque-Wohnung, wo ich mit Guido, einem glatzköpfigen Hünen, und seiner Lebensgefährtin Co ns tanza Brunet, ebenfalls Verlegerin, teuflische Cocktails trinke.
Guido blättert im mitgebrachten Buch: » Der Strich gefällt mir, das Thema allerdings– schwierig zu verkaufen. Aber könnte sie nicht einfach was nur über Buenos Aires machen?«
Er will mit ihr Kontakt aufnehmen. Noch ein Drink, dann gehen wir essen: siebeneinhalb Stunden lang geschmortes patagonisches Lamm mit Kartoffelbrei. Für mich sind die Dinner hier übrigens Extremsport, in dieser Stadt isst man frühestens um 22Uhr zu Abend. Wir hatten es allerdings so lustig, dass Constanza mich fürs Wochenende zum Asado in ihren Garten einlädt.
Gottlob war ich bestens vorbereitet. Mein Vermieter Jeff Tobin ist ein Kulturanthropologe mit Schwerpunkt Lateinamerika, aktuelles Themenfeld: Männlichkeitsforschung am Beispiel von argentinischem Fußball, Tango und Asado. Asado ist ein Grillfest, bei dem auf bettgestellgroßen Rosten stundenlang über schwacher Glut Fleisch, Chorizos, Fleisch, wieder Fleisch und noch mal Fleisch gegrillt wird. Nicht so sehr ein Essen als ein fünfgängiger Gottesdienst zu Füßen der heiligen Kuh. Gegen die kraftmeierische Hillbilly-Hopserei eines amerikanischen Barbecue ist argentinisches Asado wie Ballett: die präzise Choreographie des Glutanschiebens, die Auf- und Abtritte von choripan (Chorizo im Brot), morcilla (Blutwurst), tira de asado (flache Rippe), tapa de asado (Hüftdeckel) und lomo (Filet), alle lässigerweise gleichzeitig auf den Grill gelegt, aber nacheinander serviert und trotzdem genau zum richtigen Zeitpunkt perfekt gegart– wie, wissen nur der Himmel und der asadero, der Grillmeister. In diesem Fall Guido.
Über das Essen hier könnte ich übrigens ein ganzes Buch schreiben, über die spottbilligen, butterweichen Steaks, über die kleinen Gebäckstücke, die man hier morgens oder am späten Nachmittag isst, die medialunas, rosquitas, palmeritas, tortitas negras, churros, cañoncitos … alle warm aus dem Ofen, Stücker einen Peso, also 20Cent– himmlisch. Und das Eis! Das sambayòn granizada (Zabaglione mit dunklen Schokosplittern) und dulce de leche volta (das argentinische Milchkaramell mit karamellisierten Haselnussstücken) bei Un’ altra volta! Die Empanadas von Romario’s! Die Pizza im Cuartito! Es ist eigentlich die perfekte Kinderstadt, stelle ich fest: erstklassiges Junkfood an allen Ecken. Und das Beste: Die Eisläden liefern sogar nach Hause. Ich habe es sofort ausprobiert. Ein Mopedbote brauchte eine halbe Stunde, um mit einem Styroporbehälter voll chocolate con almendras vor der Tür zu stehen. Es ist mein Untergang hier: pro Woche ein Kilo plus, mindestens.
Aber zurück zum Asado. Neben mir am Tisch saß ein Mann mit grauem Schnauzbart: Gérard Aimé, ein französischer Verleger und Autor. Gérard ist gerade einen Monat lang als Passagier eines Frachtschiffs von Frankreich über Senegal und Sierra Leone (dort wurden europäische Schrottautos für den afrikanischen Markt abgeladen) nach Buenos Aires gefahren. Er macht so eine Fahrt jedes Jahr, » da habe ich endlich mal meine Ruhe«, sagt er. An Bord gibt es kein Handy, kein Internet, kein Fernsehen, gar nichts. » Es ist genau die Monotonie, die ich zum Schreiben brauche, ich sitze gerade an einem Polizeiroman.«
Fasziniert habe ich mir alles über die Schiffspassage erzählen lassen. Wie geht das, wo bucht man? Kann da jeder mitfahren? Es wäre doch eigentlich die perfekte Art für mich, am Ende des Jahres nach Hause zu kommen, nicht? Mit einem Frachter über den Atlantik heim nach Hamburg? Die Idee gefällt mir, die kommt auf Wiedervorlage.
Dann war da noch Paola, eine französisch-argentinische Produktionsassistentin beim Film, die Spanisch, Französisch, Englisch und Mandarin spricht, weil sie schon überall auf der Welt gelebt hat, und die auf meine Frage, wo sie sich zuhause fühle, lange zögerte. Und dann mit den Achseln zuckte. » Die Frage stelle ich mir nicht mehr. Zuhause ist immer da, wo ich gerade bin.«
Ich fragte sie über Tango aus. Sie ist eine der wenigen jüngeren Einheimischen, die ihn regelmäßig tanzt, sonst scheint der Tango eher ein Rentnervergnügen zu sein.
» Auch der Tango«, sagte
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