Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Firmenschild signalisiert: Ich bin eine Geheimadresse, bleibt mir bloß vom Leib, ihr Touris. Die Verkäuferinnen sind Meisterinnen der Kunst, gelangweilt in die andere Richtung zu gucken, wenn man Beratung braucht. Hat man endlich ihre Aufmerksamkeit, schaffen sie ein zweites Kunststück: vor einem zu knien und trotzdem auf einen herabzublicken. Ein masochistisches Ritual, hier etwas kaufen zu wollen– aber ich habe sowieso noch nie den Kick verstanden, der für manche Frauen darin besteht, sich von Verkäuferinnen oder Friseuren schlecht behandeln zu lassen.
Nein, dann lieber eine Expedition in eine deutlich entspanntere Szene: die der puertas cerradas. Das sind Privatrestaurants hinter– so die wörtliche Übersetzung– geschlossenen Türen, die es in Buenos Aires zu Dutzenden gibt. So geheimnisvoll und klandestin, wie es klingt, ist es gar nicht. Man meldet sich auf einer Website an und hofft auf einen lustigen Abend im Kreis von Menschen, die man noch nie gesehen hat. Du weißt ja, dass ich nicht die geringsten Probleme damit habe, auf eine Party zu gehen, auf der ich keinen kenne. Im Gegenteil: keine Erwartungen = keine Enttäuschungen, aber immer mal wieder die angenehmsten Überraschungen.
So war es auch hier: Der New Yorker Dan Perlman schmeißt in seiner puerta cerrada Casa Saltshaker immer freitags und samstags Dinnerpartys für bis zu zwölf Leute. Das fünfgängige Menü mit Begrüßungsdrink, Wasser und passenden Weinen zu jedem Gang kostet 35Euro, was in Buenos Aires schon am oberen Ende der Preisskala liegt.
Schauplatz war der Esstisch einer gemütlichen Wohnung in Recoleta. Die anderen Gäste: eine bunte Mischung von entspannten Kosmopoliten, wie man sie in Buenos Aires öfter trifft; Engländer, Amerikaner, Venezuelaner. In Nullkommanichts hatten die Werbefilmschauspielerin Ruta, ursprünglich aus Litauen, jetzt in Los Angeles lebend, und ich herausgefunden, dass wir eine gemeinsame Freundin in Hamburg haben: Kornelia! Kannst Du es glauben? Klitzekleine Welt. Sie schickt mir jetzt den Namen einer Bollywood-Schauspielerin in Mumbai, die soll ich unbedingt treffen. Genau das ist es, was ich am Reisen so liebe: dieses Schneeballsystem, das den Planeten zu einer Dorfgemeinschaft schrumpft.
Schon während des Essens dachte ich: Das könnte ich auch. Das wäre eine Superidee für zuhause. Einmal im Monat ein Dinner für Unbekannte geben, fremde Menschen an meiner Tafel versammeln, mir die Welt ins Haus holen. Auch das kommt auf meine innere Wiedervorlage-Liste, ebenso wie die Idee aus Sydney, ich habe Dir schon davon erzählt: einen hedonistischen Buchclub gründen, mit Essen, Trinken und Fußmassagen. Hättest Du nicht Lust, so was mit mir auf die Beine zu stellen? Wäre das nicht ein Riesenspaß?
Nach dem Dinner ging ich selig nach Hause (übrigens kein Problem, hier als Frau nachts zu Fuß unterwegs zu sein, ich bin noch nie blöd angequatscht worden) und kam an einem noch geöffneten Musikgeschäft in meiner Straße, der Avenida Callao, vorbei. Im Fenster lag eine CD von Astor Piazzolla und Gerry Mulligan, die mich interessierte. Also rein, gekauft. Musik wiegt ja nichts, wenn man sie auf den Laptop zieht. Wieso sind hier um Mitternacht überhaupt noch so viele Leute?
Der Kassierer: » Wir haben hinten gleich noch eine Jam Session. Bleiben Sie doch.«
Klar bleibe ich. Das Hinterzimmer entpuppt sich als ausgewachsener Jazzclub mit weißgedeckten Tischen. Ich höre mir das Trio auf eine Whiskylänge an (und die ist hier lang, es wird gerecht eingeschenkt) und will gerade gehen, als ein älterer Herr auf die Bühne springt und mit brüchiger Stimme » Let’s get lost« singt, einen meiner ewigen Lieblingssongs. Und in diesem Jahr meine heimliche Hymne: Let’s get crossed off everybody’s list … Er singt mich direkt an, es ist völlig wahnsinnig. Ich schlucke nur mühsam die Tränen herunter.
Das Glück des Reisens ist der Zufall. Nein, mehr als der Zufall: das Gefühl, die Welt meint dich. Sie blinzelt dir zu, sie schickt dir kleine Nachrichten per Spickzettel, die nur du verstehst. In dieser kurzen Zeit hat es schon so viele unglaubliche Zufälle und Synchronizitäten gegeben, dass… ach, ich weiß auch nicht. Wenn ich das Gefühl beschreiben müsste, würde ich sagen: Weltgeborgenheit. Fern der Heimat lauter kleine Bedeutungsheimaten zu finden, Vertrautheiten, Muster, Zusammenhänge, das ist in jeder Hinsicht ein Trip.
Natürlich schaut man den Sinn in die Dinge hinein. Reisen ist wie
Weitere Kostenlose Bücher