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Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Titel: Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meike Winnemuth
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nicht mag. Die ich nicht ausstehen kann. Um heil durch die Straßen zu kommen, muss ich zum Arschloch werden. Zu jemandem, der Bettler missachtet und Händler ignoriert, der einen starren Blick hat, eine kalte Miene und ein gepanzertes Herz. Der nichts an sich heranlässt, ein Teflon-Roboter. Ich hasse diese Person, zu der mich Mumbai macht. Ich schaue den Leuten, besonders den Männern, nicht mehr direkt in die Augen. Ich lächle nicht mehr. Ich habe mir ein gewisses Tempo zugelegt, wenn ich durch die Stadt gehe. Ich bin ein bewegliches Ziel, schlage Haken, mache mich unkalkulierbar. Bleibe ich irgendwo stehen, an einer Ampel zum Beispiel oder um etwas zu fotografieren, werde ich mit Sicherheit angesprochen, weil mich einer zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt führen will, insbesondere der größten: seinem Cousin, der wahnsinnig billige Handys hat. Bettlerinnen ziehen so lange an einem, bis man ihnen einmal entnervt etwas gibt, damit sie verschwinden. Straßenhändler schmeißen sich einem so lange mit Ma’am, look, ma’am, hello, hello, look, ma’am, look, hello, ma’am in den Weg, bis man einmal stehen bleibt. Indien ist wie Spam: Dieses Nerven klappt vielleicht in einem von 100Versuchen, aber das reicht. Und deshalb wird es gemacht. Es ist ein täglicher Kleinkrieg, den ich je nach Laune mal besser, mal schlechter ertrage, aber nie gut.
    Und genau das, mein Lieber, ist es, was mich hier so zermürbt: der Selbstverteidigungskurs, zu dem ich genötigt werde. Die Rüstung gegen das Elend, die ich mit mir herumschleppe. Es ist kein Ankommen hier, es ist eher ein ständiges Entkommen. Ich bin natürlich selbst schuld: Ich bestehe darauf, mich hier zu Fuß zu bewegen, statt mir, wie es von Besserverdienern und Touristen erwartet wird, einen Wagen mit Fahrer zu nehmen oder zumindest ein Taxi.
    Kann schon sein, dass ich das Spazierengehen irgendwann aufgeben werde, doch mir würde einfach zu viel entgehen. Nicht weit von mir liegt zum Beispiel das Nobelviertel Malabar Hill, mittendrin ein Park und darin etwas, was auf meinem Stadtplan Towers of Silence hieß. Also hin. Ich wurde gleich am Eingang von einer Wache abgefangen: » Sorry, ma’am. Nur für Parsen.«
    Zuhause googelte ich nach, was es damit auf sich hatte– und machte mich sofort ein zweites Mal auf den Weg, nur um möglicherweise doch einen Blick auf die ominösen Türme zu erhaschen. Denn die Geschichte ist einfach zu toll, pass auf:
    Parsen sind eine religiöse Minderheit, Anhänger der Lehre von Zarathustra und deshalb im 9. Jahrhundert aus Persien– daher ihr Name– vertrieben worden. Kaum 9 0 000 gibt es heute weltweit noch; sie sterben aus, denn sie dürfen nur untereinander heiraten, akzeptieren keine Kinder aus Mischehen und auch keine Konvertiten. Parsen gehören zu den einflussreichsten Familien hier in der Stadt, der Großindustrielle Ratan Tata gehört zu ihnen, der Dirigent Zubin Mehta– und auch Freddie Mercury, geborener Farrokh Bulsara, war Mitglied einer strenggläubigen Parsenfamilie auf Sansibar.
    Weil für die Parsen Erde, Wasser und Feuer heilig sind, dürfen diese Elemente nicht durch Beerdigungen verunreinigt werden. Also legen sie ihre Toten auf die Dächer der Towers of Silence, sechs stadionartigen Bauwerken, und überlassen sie den Geiern und Raben zum Fraß. Tatsächlich sieht man die Vögel ständig an dieser Stelle kreisen. Weil allerdings die Geierbevölkerung von Mumbai durch diverse Umweltgifte stark dezimiert ist, funktioniert dieses Ritual nicht mehr sonderlich gut. Eine Zeit lang versuchte man sogar, Bengalgeier zu züchten– nicht nur für die Parsen, auch für die Beseitigung von verendeten heiligen Kühen in den Straßen.
    Derzeit gibt es Überlegungen, Sonnenkollektoren zu installieren, um den Verwesungsprozess zu beschleunigen– es kann inzwischen bis zu einem Jahr dauern, bis eine Leiche » dekarniert«, also entfleischt ist. Die Knochen werden anschließend in der Mitte des Turms gesammelt, dort in Säure aufgelöst und durch verschiedene Sand- und Kohlefilter geleitet. Und schließlich dem Meer zugeführt. (Freddie Mercury wurde übrigens feuerbestattet, elektrische Krematorien gelten als akzeptable Notlösung.) Noch mal, weil’s so schön ist: feines Viertel, zentrale Lage– und kreisende Geier, die die Leichen der oberen Zehntausend abnagen. Sehn ’se, det is’ Mumbai.
    Oder das hier: der größte dhobi ghat von Mumbai, eine Open-Air-Wäscherei mitten in der Stadt, in die Hotels ihre Wäsche und

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