Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Sonoma zu kommen, ins wine country , mein Ausflugsziel für den Rest des Tages, musste ich über die Brücke. Die Brücke.
Es war mindestens ein solcher Halleluja-Moment wie am Morgen in der Kirche. Es ist bestimmt keine gute Idee, mit Tränen in den Augen und dazu durch die Windschutzscheibe meines Leihwagens fotografierend im Sonntagsnachmittagsverkehr über die Golden Gate Bridge zu fahren, aber der Heilige John Coltrane oder sonst wer war bei mir.
Woran liegt es nur, dass mich solche Bauwerke so rühren? Ist es die Arbeit, die Kühnheit, die Beharrlichkeit, die immer darin stecken?
Ich erinnere mich an eine Geschichte, die uns beim Besteigen der Harbour Bridge in Sydney erzählt wurde (mein Gott, vor einem halben Jahr…): wie die Arbeiter, auf schmalen Streben hoch über dem Wasser balancierend, die rotglühenden Niete, die ihnen über mehrere Meter Entfernung zugeworfen wurden, mit Eimern auffingen. Sechs Millionen Niete. Unvorstellbar, diese Leistung. Von der Golden Gate Bridge gibt es die schöne Story, dass der letzte Niet aus purem Gold war und unter gewaltigem Presserummel eingeschlagen wurde. Nur hielt er, da Gold sehr weich ist, der starken Erhitzung nicht stand, löste sich und fiel ins Wasser. Und ward nie mehr gesehen.
Aber weiter, nach Sonoma. Neben Napa das unschickere, unangestrengtere der beiden Weintäler im Norden. Also das richtige für mich. Die Fahrt dorthin: zu meiner Lieblingstageszeit, dem späten Nachmittag. In diesem faulen, goldenen (nietenfarbenen) Licht, das sagt, jetzt ist der Tag schon fast vorbei, jetzt kannst du langsam loslassen, aber genieß noch mal die Wärme, jede einzelne Minute. Meine Reservierung im Gaige House Inn war durchs System gerutscht, trotzdem hatten sie ein Zimmer für mich. Ein großes, schönes, erstaunlich billiges: » Why don’t we give her the king room?«
Yeah, why don’t you.
Glen Ellen ist der wahrscheinlich verschlafenste Ort im Sonoma Valley. Deshalb stehen Körbe mit Taschenlampen bereit für diejenigen, die abends zum Essen hinausgehen. Denn Straßenbeleuchtung: Pustekuchen. Die nette Rezeptionistin empfahl das benachbarte Fig Café. Ich zog also mit meiner Taschenlampe los, ließ mich gern an die Bar setzen, bestellte Wein und eine Pizza und guckte mich um. Neben mir: eine Frau, die ebenfalls allein aß. Natürlich kamen wir ins Gespräch. Stellte sich heraus: Birgitta aus Hannover, wohnt seit 16 Jahren in San Francisco, arbeitet bei IBM , pingpongt als Softwareentwicklerin durchs ganze Land.
Und. Hatte. Heute. Auch. Geburtstag.
Also bitte! Ist doch einfach unfassbar, oder? Ich habe nur noch hysterisch gelacht und uns einen weiteren Wein bestellt.
Andererseits sind mir in diesem Jahr bereits so viele Wunder begegnet, dass ich fast schon mit ihnen rechne. Und vielleicht ist das die Erklärung für all die Koinzidenzen: Ich erwarte sie, also sehe ich sie auch. Solche Verbindungen und Gemeinsamkeiten sind immer da, glaube ich, wir gucken nur nicht gut genug. Oder fragen nicht genug nach. Wäre ich zum Beispiel mit der Frau am Tresen neben mir nicht ins Gespräch gekommen, hätte ich den Zufall des gemeinsamen Geburtstags nie bemerkt. Dieser Zufall hätte aber doch trotzdem existiert, selbst wenn er von niemandem wahrgenommen worden wäre, oder? Oder ist es wie bei jenem berühmten japanischen Zen-Koan von dem Baum im Wald: Wenn er umfällt und niemand ist da, es zu hören, macht er dann ein Geräusch?
Egal: Ich bin ja da. Und je weiter ich meine Luken aufmache, desto mehr schwappt herein. Und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendetwas davon klingelt, einen Sinn ergibt, mir etwas bedeutet.
Ein guter Tag also, mein Geburtstag?
Ein perfekter Tag, würde ich sagen. Halb geplant, halb eben gerade nicht. Und wieder mal waren die ungeplanten Momente so unendlich viel glücklicher. Ein Jazztag– je entspannter man improvisiert, desto gelungener wird es.
Und es war nicht nur ein gelungener Tag, sondern ein gelungener Monat. Das macht das Weiterreisen dieses Mal noch schwerer als bisher. Ich fürchte mich jetzt schon vor dem Abschied. Ich ahne, es wird mir ähnlich gehen wie damals vor fünf Jahren, als ich nach meiner Zeit in Brooklyn zum Flughafen fuhr und die ganze Strecke im Taxi nur geheult habe. Zum ersten Mal in diesem Jahr habe ich ernsthaft erwogen, mein 1 Monat/1 Stadt-Raster über den Haufen zu werfen und einfach länger zu bleiben. Oder ganz. Ich darf das! Ich darf alles, ich bestimme die Regeln. Aber dann dachte ich:
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