Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Tage durch den Norden führen. Die Tour war nach Indien die erste in diesem Jahr, die nicht von mir selbst organisiert wurde, sondern in diesem Fall vom Studiosus-Ableger Marco Polo. Ich würde es immer wieder so machen: sich auf die Schnelle über mehrere Orte einen Überblick zu verschaffen, dafür brauchst du einfach eine gute Logistik. So gern ich allein reise, aber an dieser Stelle brauchte ich einfach Hilfe.
Ich lege Dir ein paar Fotos bei, die Dir zeigen, warum ich Addis so schnell und so leichten Herzens hinter mir gelassen habe.
Hier e ine ziemlich typische Straßenansicht. Wellblechsiedlungen, dahinter Hochbauten in verschiedenen Phasen der Fertigstellung. Und überall, wie an dieser Mauer, improvisierte Zelte aus Lastwagenplanen, es gibt aber auch Leute, die einfach nur zusammengerollt in einem Müllsack schlafen, direkt an der Straße, im Regen.
Der Anblick ist für mich immer noch erschütternd, obwohl ich merke, dass mich nach Indien nichts mehr so leicht schockiert.
Auf den Großbaustellen leisten vor allem Frauen die Knochenarbeit und schleppen die Zementeimer, während die Männer mit den Händen in den Taschen danebenstehen. Davor hängen Plakate mit Aufschriften wie » From shabby to chic– witness the transformation!« Zynisch. Um Platz für die neuen Prachtbauten zu machen, werden Tausende von Slum-Hütten plattgemacht und ihre Bewohner an den Stadtrand verbannt.
Eine Bar.
Eine Metzgerei.
Einer der größten Buchläden von Addis, Megabooks.
Ausschließlich Fachliteratur. Buchhaltung, Ingenieurswissenschaften, Englisch als Fremdsprache. Halt alles, was wirklich wichtig ist. Ich denke an deutsche Buchsupermärkte– Haarewaschen mit Apfelessig, Aussöhnung mit dem Inneren Kind, Diddlmaus-Duftbriefpapier– und frage mich, welches das ärmere Land ist.
Die Fotos erzählen natürlich nur die halbe Wahrheit. Die ganze ist: Die Leute sind wunderbar hier. Ich habe selten in so viele lächelnde Gesichter gesehen, mich auf Anhieb so wohl gefühlt. Daran hat auch nicht geändert, dass mir vor meiner Abreise in den Norden das passierte, was auf einer so großen Reise eigentlich schon längst überfällig war: Mir wurde meine Tasche geklaut. Immerhin hat es 308 Tage gedauert, kein schlechter Schnitt auf einer Weltreise.
Am meisten habe ich mich über mich selbst geärgert, denn ich weiß es ja besser. Hab das Ding immer schön quer vorm Körper getragen, im Gedränge auch mal unter den Arm geklemmt. Ich kenne alle Tricks, bilde ich mir ein, alle Ablenkungsmanöver. Aber ein einziges Mal habe ich die Tasche wie der größte Anfänger aller Zeiten kurz neben mich gestellt, beim Besichtigen eines kommunistischen Mahnmals, wo weit und breit keine Menschenseele zu sehen war– bis auf den Moment, als sich ein Junge lautlos von hinten anschlich, die Tasche griff und loswetzte. Ich für hundert Meter brüllend hinterher, klar, aber der Kleine war schneller, vor allem, als er sich in die Büsche schlug. Mann, habe ich geflucht. Aber dann auch gleich wieder gelacht: einen Äthiopier im Laufen schlagen zu wollen… komplett aussichtslos.
Und es war auch kein großes Drama: umgerechnet 50 Euro und mein E-Book-Reader waren hops; glücklicherweise hatte ich vor meinem Spaziergang, als ob es ich geahnt hätte, die größte Menge des Bargelds, Kreditkarten und den Pass in den Safe gepackt. Fotoapparat und Handy waren in meiner Jackentasche. Denn ich bin zwar blöd, aber nicht so blöd. Und vor allem nicht so blöd, einen Diebstahl persönlich zu nehmen. Das ist er nicht. Gerade in einem Land wie Äthiopien ist er nur die fällige Umschichtung von Reich zu Arm– betrachten wir das Ganze also als unfreiwillige Spende.
Selbst der Verlust des Readers war zu verschmerzen: Meine Bücher habe ich auch auf einer App im iPhone, das wird schon gehen für den Rest der Reise. Einmal mehr: Die Technik, das Internet, die Digitalisierung der Welt macht das Reisen so unendlich viel entspannter als früher.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist es eigentlich bemerkenswert, dass mir bislang so wenig passiert ist. Einmal kam mir ein Lkw-Fahrer auf einem einsamen Parkplatz in der Negev-Wüste ein bisschen dumm, dem bin ich einfach davongefahren. Sonst? Keine Probleme, keine Krankheiten. (Bis auf den einen obligatorischen Tag Durchfall in Indien, der vermutlich Teil der Visabestimmungen ist– ohne den darf da keiner wieder raus.) Warum haben die Leute nur so viel Angst und befürchten auf Reisen immer das Schlimmste? Nach
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