Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Desinteresse– dafür hätte ich Deutschland nie verlassen müssen.
Ich habe mich oft gefragt, ob ich dieses Jahr anders erlebt hätte, wenn ich ein Mann wäre. Keine Frage, dass man als Mann mehr Bewegungsspielraum hat; in einige Ecken der Erde, die mich interessiert hätten(Afghanistan, Turkmenistan ) , habe ich mich dann doch nicht gewagt. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, als Frau offenere Türen vorzufinden, leichter in Kontakt zu kommen mit den Leuten, die von mir ja nichts befürchten mussten. Gibt es etwas Harmloseres als ein alleinreisendes Blondchen? Um die kümmert sich jeder gern, ob aus Mitleid oder Fürsorge. Viele der Einladungen dieses Jahres, da bin ich sicher, hätte ich als Mann nicht bekommen, einige Bekanntschaften sicher nie gemacht. Und bevor Du fragst: Nein, ich bin brav geblieben. Ziemlich. Keine Lust auf Komplikationen und vor allem keine Lust darauf, wegen eines Kerls irgendwo hängen zu bleiben.
Mein Frausein kommt mir auch hier auf dem Schiff zugute, allein unter 24 Seeleuten und einem einzigen weiteren Passagier, einem Gartenpfleger aus Sachsen, den ich aber so gut wie nie zu Gesicht bekomme. Für die philippinischen Matrosen bin ich ein Unikum, so was hatten sie noch nicht an Bord, und als wir am zweiten Weihnachtstag auf dem Achterdeck ein Spanferkel grillten, haben sie mir die schönsten Stücke heruntergesäbelt.
Auch sonst habe ich es gut: Ich kann mich frei an Deck bewegen (zweimal nach vorn zum Bug und wieder zurück = ein Kilometer), bediene mich aus der Bordsammlung von DVD -Raubkopien aus allen Häfen der Welt (hauptsächlich Ballerfilme und Hongkong-Action), lasse mir vom britischen Chefingenieur Tony den Maschinenraum erklären ( » Doll! Bei mir hier unten war noch nie eine Frau!«) und vom deutschen Kapitän die Brücke. Die Tage verbringe ich entweder im einzigen Liegestuhl des Schiffs mit einem Hörbuch aus dem iPhone, die Augen auf unendlich, oder dösend und lesend in meiner Koje in der Eignerkabine. Nichts tun können, nichts müssen, einfach nur langsam nach Hause dümpeln– es ist herrlich.
Die einzigen Termine, die ich habe: Frühstück von 7.15 Uhr bis 7.30 Uhr, Mittagessen um 12 Uhr, Abendessen um 17.30 Uhr. In der Offiziersmesse– wir sind zu acht– herrscht nüchterne Kantinenatmosphäre, dagegen kann die weihnachtliche Plastiktanne in der Ecke noch so viel anblinken. Alle schaufeln wortlos das Essen in sich hinein, länger als eine Viertelstunde sitzt keiner am Tisch. Wer aufsteht, sagt– und das oft als einziges– » Good afternoon« oder » Good evening« und verschwindet umgehend. Monatelang mit denselben Leuten Tag und Nacht zusammenzuarbeiten killt jedes Bedürfnis nach ausschweifender Dinnerkonversation. Ich mag das irgendwie, diese schweigende Gemeinschaft hart arbeitender Männer.
Auch auf Kuba dachte ich nach einigen Tagen: It’s a man’s man’s world. Beim Frühstücken in meinem Hotel zum Beispiel traf ich drei deutsche Herren in den Siebzigern, Brüder auf Nostalgietour. Die beiden älteren sind zur See gefahren, » die schönste Zeit meines Lebens«, sagte der eine, » aber dann habe ich meine Frau kennengelernt und dann… Tja.« Er war zum ersten Mal 1951 als Schiffszimmerer auf Kuba, » da war vielleicht noch was los hier! Jetzt dagegen…«– er lachte ein bisschen traurig.
Sie hatten in den letzten Tagen nach ihren alten Kneipen gesucht. Alle dicht, bis auf eine, Dos Hermanos unten am Hafen. Ich versprach ihnen, dort abends mal einen Rum auf sie zu trinken.
Am Nachmittag traf ich dann in der Innenstadt zwei junge Amateurboxer, die seit Jahren um den Globus reisen, um Kampfsportarten zu trainieren, zum Beispiel zum Muay Thai nach Bangkok und jetzt nach Kuba zum Boxen. » Der beste Ort dafür. Wi r waren keine zwei Stunden hier und standen schon im Ring.«
Dazwischen habe ich mir für zwei Dollar das Zimmer 511 im Hotel Ambos Mundos angeschaut. Hier wohnte Ernest Hemingway sieben Jahre lang ab 1932. Seine Schreibmaschine steht hier, ein paar Angelruten, afrikanische Speere. Im Schrank hängt eine Lederweste mit auffällig dicken E. H.-Initialen, damit auch ja jeder mitkriegte, was für ein Kerl da vor einem stand. An der Wand: Fotos seiner Eroberungen, Marlene Dietrich ist auch dabei.
Spätestens da wurde mir klar: Kuba ist ein Männermuseum. Die Jungs, die Männer hängen hier ihrer Sehnsucht nach. Sie träumen von der guten alten Zeit, die ja auch tatsächlich noch in Form von US -Oldtimern durch die Straßen klappert,
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