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Das große Los

Das große Los

Titel: Das große Los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wechselte.
    Sie wiederum fixierte Lapointe, nur Spott und Herausforderung im Blick. Und er verlor die Fassung, griff nach seinem Glas, trank mechanisch, fühlte sich unbehaglich und von weißgottwelchen Zweifeln beklommen.
    Glaubte er wirklich, daß sie das jeden Abend trieb, nur zum Spaß oder aus irgendeinem geheimnisvollen Grund?
    Sie war kaum fertig, hatte kaum ihren Abgang gemacht, sich gleichfalls ein letztes Mal verbeugt, wollte sich gerade an dem von Natascha zugewiesenen Tisch niederlassen, als er schon mit großen Schritten auf sie zustürzte. Louis konstatierte es mit flackerndem Blick. Natascha, die näher bei Lili stand, spitzte die Ohren.
    »Ich muß Sie unbedingt sprechen.«
    Und sie, als kenne sie ihn nicht, mit ihrer Chansonstimme:
    »Sie sind wohl ein Bulle?«
    »Hören Sie …«
    »Haben Sie denn das Recht, mich zu verhören?«
    Inzwischen war Louis zu den beiden getreten.
    »Sagen Sie, Monsieur Louis, der Bulle da will mich sprechen. Was soll ich machen?«
    Und dann, ohne ihm Zeit zur Antwort zu lassen:
    »Soll ich ihn mit rauf nehmen? Ist doch wohl besser, wenn das nicht vor den Gästen abläuft?«
    Sie klinkte die Tür auf und bedeutete Lapointe, ihr in das dunkle Treppenhaus zu folgen.
    »Ich sag Ihnen gleich, in einer halben Stunde muß ich wieder auf die Bühne. Und daß Sie bei mir sowieso nicht landen können.«
    Ob der Jargon überzeugt hatte? Es ging weniger darum, Louis zu täuschen als Natascha, die ihnen bis unten ins Treppenhaus gefolgt war.
    »Hier rein. Also was wollen Sie von mir?«
    Sie schloß die Tür, legte den Finger auf die Lippen und flüsterte:
    »Pst!«
    Dann schlich sie auf Zehenspitzen zu einer zweiten Tür. Sie wußte nicht, was dahinter war, vermutlich ein weiteres Zimmer. Sie drehte den Knauf, die Tür war abgeschlossen.
    »Was ist denn in Sie gefahren?« fragte Lapointe in sichtlichem Zorn, und konnte kaum an sich halten.
    »Und was in Sie?«
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, Ihr Vater weiß, daß Sie hier sind?« Alle nannten Justin Duclos ihren Vater.
    »Warum nicht?« gab sie zurück.
    Und dann mit ihrer Auftrittsstimme, überlaut:
    »Na, und was jetzt? Schießen Sie los! Fragen Sie doch! Worauf warten Sie? Sie bilden sich doch nicht etwa ein, ich hätte die zwei Sängerinnen totgeschossen?«
    »Weiß er Bescheid?« bohrte er nach.
    Sie zuckte die Achseln. Was hätte sie antworten sollen? War nicht das erste Mal, daß sie darauf versessen war, ein Problem lösen zu wollen, das die Kriminalpolizei vor Rätsel stellte. Auch nicht das erste Mal, daß sie deswegen eine Nacht außerhalb vom Quai de la Tournelle verbrachte und sich in zwielichtigen Milieus bewegte.
    Manchmal hörten sie im Quai des Orfèvres morgens eine anonyme Stimme am Telefon sagen:
    »Den Beweis, nach dem Sie in dem Fall der Avenue de l’Opéra fahnden, finden Sie im ›Hôtel Beauséjour‹, Zimmer achtzehn.«
    Justin Duclos hatte nie etwas zu ihr gesagt, ihre Abwesenheit nie erwähnt. Auch hatte es ihn nie erstaunt, sie die schwarzen Hefte aus der berühmten Schublade durchlesen zu sehen.
    Sie waren so vertraut miteinander, wie ein leiblicher Vater und seine Tochter sein können, doch gab es Themen, die sie nie anschnitten, vielleicht aus einer gewissen Scheu.
    Lapointe, der ihr überhaupt nichts zu sagen hatte, war außer sich. Mit Abscheu musterte er das Umfeld, in dem sie sich offenbar wohl fühlte, den Schminktisch, die Straßenkleider von Natascha auf dem Bett.
    »Machen Sie so was schon lange?«
    »Und Sie?«
    »Das ist immerhin mein Beruf. Das kann man nicht vergleichen.«
    »Und warum haben Sie ihn sich ausgesucht?«
    Und, da er keine Antwort gab:
    »Weil Sie sich dazu berufen fühlten, nicht wahr? Weil Sie eine Polizistenseele sind. Und warum sollte ich nicht auch eine sein?«
    Sie ging zur Tür, riß sie plötzlich auf und sagte ohne jedes Erstaunen zu der verlegenen Natascha:
    »Komm rein! Er kann mir seine Fragen genausogut in deiner Gegenwart stellen. Er will wissen, warum ich hergekommen bin, wer mich aufgefordert hat, hier zu singen. Ich habe ihm dasselbe gesagt wie vorhin dir, daß ich die Chance gesehen hab’ und sie beim Schopf packe, aber er will mir nicht glauben.«
    »Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?« knurrte Lapointe, weiß vor Wut.
    »Und sonst haben Sie keine Fragen? Sie werden jetzt wohl meine Lebensumstände recherchieren und mir nachschleichen, wenn ich früh um vier Uhr hier rauskomme. Wenn ich der Zeitung glauben kann, ist ein Bulle wie Sie Lucy Perrin

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