Das grosse Muminbuch
Mumintroll vorbei, weit weg und ganz für sich. Dort huschte die Kleine My die Hänge hinauf, beinahe nur wie eine Bewegung, man sah sie kaum. Das war etwas Entschlossenes und Selbständiges, das man nur flüchtig erblickte - etwas so Unabhängiges, dass auch nicht das geringste Bedürfnis aufkam, sich sehen zu lassen oder zu prahlen.
In ihrem Spiegelbild wurden sie alle unglaublich klein, und die Glaskugel machte ihre Bewegungen verwirrt und planlos. Das hatte Muminvater gern. Das war sein Abendspiel. Es schenkte ihm das Gefühl, dass sie beschützt werden mussten, dass sie in ein tiefes Meer sanken, das nur er kannte.
Nun war es fast dunkel. Und plötzlich geschah etwas Neues in der Glaskugel: ein Licht wurde angezündet. Die Muminmutter hatte auf der Veranda Licht gemacht, das hatte sie den ganzen Sommer über nicht getan. Es war die Petroleumlampe, die brannte. Und mit einem Mal sammelte sich die ganze Geborgenheit in einem einzigen Punkt, sie war auf der Veranda und nirgendwo anders, und auf der Veranda saß die Muminmutter und erwartete ihre Familie, um ihr Tee zu servieren.
Die Glaskugel erlosch, das Blaue wurde zu Finsternis, man sah nur noch die Lampe.
Der Vater blieb ein Weilchen stehen, ohne zu wissen, worüber er nachdachte, dann drehte er sich um und ging heim.
Hm, sagte der Vater. Ich glaube, jetzt können wir ruhig schlafen. Für dieses Mal dürfte die Gefahr vorüber sein. Aber sicherheitshalber werde ich im Morgengrauen runtergehen und kontrollieren.
Hah, sagte die Kleine My.
Vater, rief Mumintroll. Hast du nichts gemerkt? Etwas Besonderes? Wir haben die Lampe an.
Ja, ich dachte, es sei jetzt Zeit für die Lampe, die Abende werden lang. Mir war heute Abend so danach, sagte die Mutter.
Der Vater sagte, dann machst du dem Sommer ja ein Ende. Die Lampe zündet man erst an, wenn der Sommer zu Ende ist.
Und dann wird es ja Herbst, sagte die Mutter friedlich.
Die Lampe surrte, während sie brannte. Sie machte alles nah und sicher, einen engen Kreis aus Familie und all dem, was sie kannten, dem sie vertrauten. Draußen war das Fremde und Unsichere, das die Dunkelheit immer höher auftürmte und immer weiter weg bis ans Ende der Welt.
Es gibt Väter, die bestimmen, ob und wann es Zeit ist, die Lampe anzuzünden, murmelte der Vater in seine Teetasse.
Mumintroll aß seine Butterbrote, in der gleichen Reihenfolge wie gewöhnlich: zuerst Käse, dann zwei mit Wurst, danach kalte Kartoffeln mit Sardinen und zuletzt Marmelade. Er war glücklich und zufrieden. My aß nur Sardinen, denn sie merkte, dass es ein sehr ungewöhnlicher Abend war. Sie starrte nachdenklich ins Gartendunkel, mit Augen, die immer schwärzer wurden, je länger sie nachdachte und aß.
Das Lampenlicht fiel über das Gras und den Fliederbusch. Nur schwach kroch es zwischen die Schatten, wo die Morra saß und mit sich allein war.
Die Morra hatte so lange auf derselben Stelle gesessen, dass der Boden unter ihr gefroren war. Das Gras splitterte wie Glas, als sie aufstand und ein wenig näher ans Licht schlürfte. Ein erschrockenes Flüstern fuhr durch das Laub. Ahornblätter rollten sich zusammen und fielen zitternd über ihre Schultern. Die Astern reckten sich so weit weg von ihr wie sie vermochten. Die Grillen hörten auf zu zirpen.
Warum isst du nicht? fragte die Mutter.
Ich weiß nicht, sagte Mumintroll. Haben wir Rollgardinen?
Sie sind auf dem Boden. Wir brauchen sie erst, wenn wir Winterschlaf halten.
Die Mutter wandte sich an den Vater und sagte, möchtest du nicht ein bisschen an deinem Leuchtturmmodell weiterbauen, jetzt, da wir Lampenlicht haben?
Das sind doch nur Kindereien, sagte der Vater. Es ist ja kein richtiger Leuchtturm.
Die Morra rutschte noch ein Stückchen näher. Sie starrte in die Lampe und schüttelte sacht ihren großen schweren Kopf. Um ihre Füße ballte sich weißer Nebel aus Kälte. Und nun glitt sie allmählich an die Lampe heran, ein riesiger grauer Schatten aus Einsamkeit. Die Fensterscheiben klirrten leise wie bei entferntem Donner, und der Garten hielt den Atem an. Jetzt hatte die Morra die Veranda erreicht, sie blieb außerhalb des Lichtviereckes, das sich auf dem nächtlichen Boden abzeichnete, stehen.
Dann machte sie rasch einen großen Schritt bis dicht ans Fenster, der Lichtschein fiel ihr ins Gesicht. Das Zimmer füllte sich mit Schreien und flatternden Bewegungen, die Stühle fielen um, das Licht wurde fortgetragen, in wenigen Augenblicken lag die Veranda im Dunkeln. Alle
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