Das Große Spiel
zuging.
»Was steht Ihrer Bank noch im Wege, Monsieur Law? Desmartes ist entlassen«, sagte Saint Simon.
»Desmartes ist gegangen, der Duc de Noailles ist gekommen. Es bleibt alles beim Alten.«
»Vertrauen Sie mir, Monsieur Law. Der Regent hat mir die Ehre erwiesen, seinem Ratskollegium beitreten zu dürfen. Ich werde meinen Einfluss geltend machen und Ihnen bereit« morgen eine Audienz beim Duc de Noailles ermöglichen.«
Das schallende Gelächter des Duc d'Orleans unterbrach alle Gespräche. Plötzlich wurde es still im Saal. Alle Augen waren auf den Regenten gerichtet. Er hatte das Dekolletee einer Mademoiselle zerrissen. Nun liebkoste er ihre Brüste und drängte die junge Frau gegen den Tisch. Sie warf ihren Oberkörper zurück, Gläser stürzten um, Geschirr fiel klirrend zu Boden.
»La Parabere«, flüsterte Saint Simon, »die neue Mätresse des Regenten.«
Saint Simon warf John Law einen Blick zu.
»Sehen Sie«, sagte Catherine leise, »selbst wenn Sie Gerechtigkeit verordnen und die Menschen mit Geld und Talenten beschenken würden, der eine würde daraus etwas machen, und der andere würde es nur sinnlos verschwenden. Und erneut nach Gerechtigkeit rufen.«
»O«, entfuhr es Saint Simon, »falls eines Tages dampfbetriebene Maschinen dem weiblichen Geschlecht jegliche Arbeit abnehmen ... kaum zu erahnen, was da auf uns zukommt...«
Catherine lächelte höflich, während sich John Law beherrschen musste, um nicht ausfallend zu werden:
»Aber wenn Manufakturen Dampfmaschinen in großer Zahl bauen sollen, werden sie eine Bank brauchen, die Produktionskredite vergibt. Ohne Kreditwesen ist kein Fortschritt möglich.« John schaute Saint Simon eindringlich an. Doch dieser starrte verstohlen auf den Duc d'Orleans, der schwankend vor seiner halb nackten Mätresse stand und plötzlich wie ein Sack Mehl zu Boden sank.
Als John im Morgengrauen mit Catherine an der Place Louis-le-Grand vorfuhr, stand der Platz bereits in Flammen. Polizisten schossen in die Menge. Einige hatten die Reiterstatue erklommen und versuchten, dem steinernen König den Kopf abzuschlagen. Jemand riss die Tür der Kutsche auf. Er stieß eine brennende Fackel hinein. John beförderte sie mit einem Fußtritt wieder nach draußen und zog seinen Degen. Die Kutsche wurde angehalten. Geistesgegenwärtig sprangen John und Catherine heraus und eilten zu ihrem Haus. Von allen Seiten wurden sie von der aufgebrachten Menge bedrängt. In Stofffetzen umwickelte Hände griffen nach ihren Kleidern. Einige versuchten sie zu treten, zu schlagen. John fuchtelte mit seinem Degen nach allen Seiten, während er Catherine eng an seiner Seite hielt. Jetzt traf er den Ersten am Arm, dem Nächsten riss er eine blutige Schramme über die Wange, einer erhielt einen Stich in den Oberschenkel. John Law war überzeugt, dass er es schaffen würde. Schritt für Schritt kämpfte er sich zu seinem Haus vor. Catherine hatte sich mit Johns Dolch bewaffnet und stach blitzschnell nach jeder Hand, die sich an ihr vergreifen wollte. Der Abstand zur Meute wurde größer. Die heftige Gegenwehr dieses groß gewachsenen Schotten schien die Leute einzuschüchtern. Plötzlich blieb John Law stehen und schrie: »Wer will sich mit mir messen? Ich fordere jeden Einzelnen von euch zum Duell auf!« Die Umstehenden hielten inne. Keiner hatte den Mut, allein gegen John Law vorzugehen. Die Dienerschaft, die die Szene offenbar hinter den Fenstern beobachtet hatte, rannte nun bewaffnet nach draußen und bildete eine Linie, hinter der Catherine rasch in Sicherheit war. Mittlerweile waren auch Polizisten vor dem Haus der Laws aufmarschiert.
»Tod dem Regenten«, skandierte die Menge.
Wenig später saßen Catherine und John Law im Salon zu Tisch und schauten den beiden Kindern beim Essen zu. Draußen tobte immer noch eine erbitterte Straßenschlacht. Beide Seiten hatten sich verstärkt.
»Wollt ihr Paris verlassen?«, fragte John und schaute Catherine und anschließend die beiden Kinder an. Die zehnjährige Kate schaute zu ihrem älteren Bruder. Dieser zuckte die Schultern und warf seiner Mutter einen prüfenden Blick zu.
»Wir haben keine Angst, Madame«, sagte John junior.
»Wir haben wirklich keine Angst, Madame«, wiederholte Kate.
»Hast du nicht immer gesagt, dass Frankreich erst dann deinem Bankenprojekt zustimmen wird, wenn Paris brennt?«, fragte Catherine.
»Ja«, murmelte John und atmete tief durch, »der neue Regent hat so viele Talente, er besitzt so viel Macht. Er
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