Das Große Spiel
besitzen. Wer mehr besitzt, verliert alles. Wer jemanden denunziert, der Münzen hortet, erhält zehn Prozent der sichergestellten Menge.«
»Mit Verlaub, Monsieur, das ist despotisch«, entsetzte sich Angelini, »das können Sie nicht veranlassen, Monsieur!«
John Law setzte seine Unterschrift unter das Dokument: »Ich habe es soeben getan. Mein Amt gibt mir die Macht dazu.«
Er reichte Angelini das Dekret: »Schicken Sie sofort einen Boten in das Palais Royal. Wir haben jetzt Krieg, Angelini. Und jeder kämpft mit den Waffen, die ihm zur Verfügung stehen.«
John Law saß gedankenverloren vor dem lodernden Kamin in seinem Arbeitszimmer. Draußen auf der Straße waren vereinzelte Schreie zu hören, wüste Beschimpfungen. Dann folgten eilige Schritte, militärische Befehle. Schließlich herrschte wieder Ruhe.
Kurz nach Mitternacht betrat Janine das Zimmer.
»Monsieur, Sie sollten schlafen«, flüsterte sie. Doch kaum hatte sie den Raum betreten, erschien Catherine in der Tür: »Janine, wir brauchen Sie jetzt nicht.«
Janine zögerte einen Augenblick. Dann überwand sie sich und sagte schüchtern: »Monsieur darf nicht aufgeben. Schon als Junge hat er nie aufgegeben. Ich habe immer an ihn geglaubt!«
»Gehen Sie jetzt, Janine«, wiederholte Catherine freundlich, aber bestimmt. Janine knickste und ging aus dem Zimmer. Sie schloss die Tür hinter sich. Catherine blieb neben dem Kamin stehen. Nach einer Weile fragte sie: »Sind wir am Ende?«
»Diese dekadente Brut hat alles zerstört. Alles! Ich hatte den Beweis erbracht...«
»Er hört dich nicht«, unterbrach ihn Catherine, »wenn du dich ausweinen willst, besuch deine katholische Hure.«
John Law schaute überrascht zu Catherine hoch.
»Ich bin nicht irgendeine Frau, John. Wenn das Spiel verloren ist, sollten wir gehen, solange noch Zeit ist.«
»Es war nie ein Spiel, Catherine! Es war stets meine Absicht, Gutes zu tun. Mit Geld kann man viel Gutes tun.«
John Law wollte sie berühren, doch sie wich zurück: »Der Regent hat wieder nach dir gefragt. Er wartet im Palais auf dich.«
Als John Law in den frühen Morgenstunden das Schlafgemach des Regenten betrat, saß dieser auf seinem Abortstuhl und erleichterte sich. Kaum hatte John das Zimmer betreten, schrie der Regent ihn wütend an: »Wollen Sie mich stürzen, Monsieur? Wollen Sie eine Revolution?«
John Law platzte der Kragen: »Wer hat heimlich drei Milliarden Livre gedruckt und mein ganzes System ins Schwanken gebracht? Nur weil Sie schwach sind, muss ich jetzt dem Volk diese Härte zumuten!«
»Ich verbitte mir diesen Ton!«, schrie der Regent und sprang auf. Er schien sich auf John Law stürzen zu wollen, vergaß indes seine heruntergelassenen Beinkleider. Der Regent stürzte bereits, als er den ersten Schritt machen wollte. Der Abortstuhl kippte mit lautem Getöse um und ergoss sich über den Teppich.
»Ich schicke Sie in die Bastille, Monsieur!«, fluchte der Regent, während er angewidert seine linke Hand aus der Urinlache zog.
John Law stampfte wütend auf den Boden und schrie: »Sie haben in wenigen Monaten über fünf Milliarden Livre verdient. Das war Ihnen zu wenig! Wie ein verwöhntes Kind haben Sie immer weiter genascht...«
»Sie und Ihre verbotenen Früchte! Ihre Äpfel stinken zum Himmel, Monsieur!«
»Erst jetzt begreife ich, wieso man mich immer davor gewarnt hat, mein System in einer Monarchie auszuprobieren. Ihr seid zu schwach, zu verkommen, zu dekadent...«
»Hüten Sie Ihre Zunge, Monsieur. Dafür hätten Sie zwanzig Jahre auf der Galeere verdient!«
»Das können Sie sich gar nicht mehr leisten, Monsieur! Mein Edikt tritt morgen in Kraft, oder Sie können Ihren Hofnarren zum Generalkontrolleur der Finanzen ernennen!«
»Wollen Sie etwa die Krone, Monsieur?«, schrie der Regent.
»Ich sehe hier nur einen Haufen Scheiße, Monsieur!«, erwiderte John Law laut. »Ich kündige Monsieur. Ich bin nicht mehr länger Ihr Generalkontrolleur der Finanzen. Ich werde schon morgen mit meiner Familie Paris verlassen!«
»Das werden Sie nicht, Monsieur«, heulte der Regent erschrocken auf, »ich werde Ihnen die Abreise verbieten! Voilá. Und Sie werden das alles wieder in Ordnung bringen!«
»Ich werde die drei Milliarden, die Sie heimlich gedruckt haben, öffentlich verbrennen!«, schrie John Law.
»Das werden Sie nicht, Monsieur!«
»Und ich verbiete Ihnen, auch nur in die Nähe unserer Notenpresse zu kommen«, fügte John Law wütend hinzu.
»So hat noch keiner
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