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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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ins Gesicht. Die Menschen bückten sich danach, stritten darum. Aber es waren zu viele. Sie konnten nicht alle befriedigt werden. Kreidebleich stand sie mit dem Rücken an der Brüstung: »Ich bin nicht Madame«, lächelte Janine, »ich bin nur die Dienstmagd.«
    Janine erntete bloß raues Gelächter. Einen Augenblick lang war sie umzingelt von zwei Dutzend Gesellen, die nichts mehr zu verlieren hatten. Doch keiner wagte, die Frau, die sie für Madame Law hielten, zu berühren. Plötzlich schoss eine Frau mit verfilztem langem Haar zwischen den Männern nach vorne und schlug Janine einen faustgroßen Stein ins Gesicht. Der Damm war gebrochen. Die Männer stürzten sich auf Janine, schlugen auf sie ein, traten sie in den Unterleib, rissen sie an den Haaren und Brüsten und warfen die schließlich bewusstlose Dienstmagd über die Brüstung in den Fluss hinunter.
     
    Etwa zur gleichen Zeit ging in Le Havre ein Schiff vor Anker. Die wenigen Männer an Bord waren schwer krank. Die Hafenpolizei verbot ihnen, das Schiff zu verlassen. Die Männer kamer aus der Neuen Welt. Da sie in Quarantäne gesetzt wurden, warfen sie den Postsack an Land. Der Hafenkommandant fragte, ob das Briefe aus der Neuen Welt seien. »Nein«, antwortete ein erschöpfter Mann mit schottischem Akzent, »es sind Nachrichten aus der Hölle.«
     
    »Ihre Privatgarde verlangt mehr Lohn, Monsieur«, sagte Angelini, als sie am nächsten Morgen die laufenden Geschäfte in Laws Arbeitszimmer an der Place Louis-le-Grand durchgingen.
    »Dann geben Sie ihr mehr Lohn, Angelini. Ohne Garde überleben wir keinen Tag mehr in dieser Stadt.«
    »Der Kommandant verlangt den fünffachen Lohn für seine Männer und den zehnfachen für sich. Er sagt, selbst ein Laib Brot koste in Paris mehr, als man an einem einzigen Tag verdienen könne.«
    »Bezahlen Sie ihn, Angelini. Was gibt es sonst?«
    John Law gähnte. Er war zum Umfallen müde. Seine Augen hatten dunkle Ringe.
    »Der Kurs liegt seit heute Früh unter dreitausend Livre ... Er hat sich somit in wenigen Tagen halbiert.«
    »Schließen Sie die Büros der Mississippi-Kompanie. Die schlechten Nachrichten sind jetzt alle im Kurs enthalten. Die Lage wird sich beruhigen«, entgegnete John Law, »das nächste Geschäft.«
    »Ein Brief aus Louisiana.«
    John Law sah den Schrecken in den Augen seines italienischen Sekretärs. »Der Brief ist an die Mississippi-Kompanie gerichtet, Monsieur.«
    »Sie meinen«, sagte John Law vorsichtig, während er den Brief in die Hand nahm, »es gibt Nachrichten, die noch nicht im Kurs enthalten sind?«
    Angelini nickte. Das Siegel war schon aufgebrochen. John Law warf Angelini den Brief wieder über den Tisch zu.
    »In einem Satz, Angelini!«, bat John Law ungeduldig.
    »Die berühmte Handelsniederlassung in Louisiana besteht aus vier bescheidenen Häusern mitten in einem Sumpfgebiet. Als ihr Bruder William dort ankam, waren die meisten Bewohner schon tot. Ruhr, Malaria, Gelbfieber, kaum einer überlebt ein halbes Jahr. Die Mannschaft Ihres Bruders ist bereits auf wenige Siedler dezimiert. Jede Nacht greifen Indianerstämme an. Tagsüber verüben spanische Siedler Sabotageakte, zur See versuchen die Engländer, die französischen Schiffe zu versenken. Kaum eines kommt durch.« Angelini flüsterte es fast.
    »Haben sie Gold gefunden?«
    »Nur eine Art schwarzes, klebriges Öl. Aber man hat dafür keine Verwendung. Schwarzes Öl, das ist der Hohn der Natur, schreibt Ihr Bruder. Nur Dreck und Verderben.«
    »Ja«, murmelte John Law, »diese Nachrichten sind tatsächlich noch nicht im Kurs enthalten. Wann kommt er zurück?«
    »Er hat auf dem Umschlag noch etwas hinzugefügt. Er ist bereits da. Er wurde in Le Havre in Quarantäne gesetzt.«
    »Das war's dann wohl«, sagte John Law wie zu sich selbst. Er spürte, wie er allmählich den Boden unter den Füßen verlor. Es war ihm, als würde er von einer schweren Einsamkeit übermannt und endlos fallen. Eine Angst ergriff ihn, eine Angst, so stark wie eine Naturgewalt, sie legte sich über ihn und hielt ihn fest umklammert. Er hätte nicht gedacht, dass es Gefühle gab, die einen heimsuchen konnten wie meterhohe Wellen, die sich plötzlich zu einer Urgewalt türmen und alles unter sich begraben und zerstören.
    »Er bittet Sie außerdem, so schnell wie möglich seine Aktien abzustoßen.«
    »Wer?« John Law sah auf. Was hatte Angelini gesagt, Aktien abstoßen?
    John Law saß zusammengesunken am Tisch. Der ganze Körper bebte, als würde er

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