Das Große Spiel
stets diskret zurück, ließ großzügig bewirten und erfreute sich an den attraktiven Damen, die ihn beehrten, und den Beaus, die sich an den Spieltischen niederließen und Pharao spielten.
Pharao wurde mit einem Satz von zweiundfünfzig Karten gespielt. Es gab das rote Karo, das rote Herz, das schwarze Pik und das schwarze Kreuz. Die kleinste Karte war die Zwei, die höchste das Ass. Der Spieltisch bestand aus einem Teppich, auf dem mit Stickereien sämtliche Karten dargestellt waren. Die Spieler setzten Geldbeträge auf die gestickten Kartenmuster, und der Bankhalter zog aus einem von zwei Stapeln eine Karte. Es gab verschiedene Gewinnmöglichkeiten, je nachdem ob man die Farbe, gerade oder ungerade, Ass bis Sechs oder Sieben bis Dreizehn gesetzt hatte. Mit zunehmendem Spiel wurde das Setzen einfacher, weil derBankhalter immer weniger Spielkarten zur Verfügung hatte und die Wahrscheinlichkeit, richtig zu schätzen, zunahm. Wer hier gewinnen wollte, musste über ein hervorragendes Gedächtnis verfügen und die Kunst beherrschen, blitzschnell Wahrscheinlichkeitsrechnungen anzustellen. Es war das Spiel von John Law. Es gehörte zu den Gepflogenheiten des Hauses, dass man in einer Vorhalle Geld in Jetons eintauschte. Die Jetons waren aus Horn und stellten Götter oder Tiere aus der griechischen und römischen Mythologie dar. Es waren Kopien jener kupfernen Geldplatten aus vorchristlicher Zeit, als Geldmünzen noch nicht klein und rund waren und noch dem Wert eines Rindes entsprachen, weshalb die Römer anfänglich für »Vieh« und »Vermögen« ein und dasselbe Wort verwendeten: pecunia. Später bedeutete pecunia nur noch Geld. Selbstverständlich konnte man im Salon von Lord Branbury auch mit echtem Geld spielen, aber da Spieler aus verschiedenen Nationen anwesend waren, ersparte es dem Bankhalter die Umrechnung der Währungen. Diese Aufgabe wurde dem Salonbesitzer überlassen, der die fremden Münzen abwog und dafür Jetons ausgab, die man am Ende des Abends wieder zurücktauschen konnte.
»Wenn König William III. Jetons aus Papier ausgeben würde, könnte er glatt die im Umlauf befindliche Geldmenge verdoppeln«, scherzte John Law, als er in der Vorhalle zehntausend Pfund umtauschte. Lord Branbury, der jeden seiner Gäste in den Salon zu begleiten pflegte, sah John Law verwundert an. Er mochte den Schotten. Er hatte nicht nur Geld, sondern auch Manieren, war bei den Damen äußerst beliebt und faszinierte die Menschen an seinem Spieltisch.
»Ich fürchte«, entgegnete Lord Branbury, »kein Mensch würde Metallmünzen gegen Papier umtauschen.«
»Selbst wenn der König persönlich diese Papiere unterzeichnen und den Rücktausch in Metallmünzen garantieren würde?«, fragte John Law im Plauderton.
»Selbst dann nicht, Mr Law. Unsere Könige stehen im Ruf, ihre Schulden nicht zu begleichen. Unsere Könige mögen nach fünfundzwanzig Jahren manche Schlacht gewonnen haben, aber das Vertrauen haben sie für die nächsten hundert Jahre verloren.«
John Law nahm diese Offenheit mit einer wohlwollenden Verneigung zur Kenntnis und flüsterte: »Sie genießen zu Recht mehr Vertrauen als König William III. Bei Ihnen würde ich mein gesamtes Vermögen eintauschen.«
Lord Branbury bedankte sich seinerseits mit einer galanten Verbeugung.
»Betty Villiers zählt heute Abend zu meinen Gästen«, flüsterte Lord Branbury so leise, dass es geradezu konspirativ wirkte, »sie steht dem König... nun ja - sehr nahe. Falls Sie also ein Anliegen haben sollten, Sir, das für Seine Majestät, unseren König, von Interesse sein sollte ...«
Betty Villiers war in der Tat eine überaus faszinierende und attraktive Frau. Wenn John Law die Bank führte, saß sie gern zu seiner rechten Seite. Sie mochte bereits Ende dreißig sein, verfügte aber über alle Attribute, die sich ein alternder König nur wünschen konnte. Und sie benutzte nie einen Fächer.
Auch Catherine Knollys benutzte nie einen Fächer. Sie war Mitte zwanzig, und ihre blasse Alabasterhaut hatte auf der linken Gesichtshälfte ein handtellergroßes Feuermal. Lord Branbury hatte sie als seine Schwester vorgestellt. Es hieß, sie sei mit Lord George of St. Andrews verheiratet, aber dieser sei nach Paris geflüchtet, nachdem er als notorischer Katholik beim König in Ungnade gefallen sei und mehrere Monate im Gefängnis Newgate verbracht habe. Er hatte also einfach seine Frau zurückgelassen. Ohne Abschied, wie es hieß. Reisende berichteten, dass Lord George jetzt in
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