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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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allein. Er wusste von seinem Vater, dass jedes Metall in dem Maße kostbar war, als es selten war.
    Hin und wieder verbrachte John Law die Nachmittage lesend zu Hause oder besuchte die berühmten Kaffeehäuser, »Will's« am Covent Garden, »The Royal« hinter Charing Cross, »The British« in der Cockpur Street oder das »Slaughter's Coffee House« in der St. Martin's Lane. Das »Slaughter's« war das Stammlokal eines Franzosen mit Namen Moivre. Er war 1688 seines Glaubens wegen von Paris nach London geflüchtet. Meist saß er in der hintersten Ecke des Saals, dort, wo kein Sonnenstrahl ihn beim Lesen und Schreiben stören konnte. Moivre war kein Beau, kein Modegeck, kein Hasardeur. Er interessierte sich weder für schöne Kleider noch für schöne Frauen. Den weiblichen Busen ließ er höchstens als geometrische Form gelten. Obwohl er bereits seit sechs Jahren in London lebte, kannte er die Stadt kaum. Genau genommen lebte Moivre nicht in London, sondern im »Slaughter's Coffee House« in der St.Martin's Lane. Wer Monsieur Moivre besuchen wollte, musste sich in dieses Kaffeehaus bequemen. Isaac Newton gehörte zu seinen Freunden. Doch im Gegensatz zu Moivre war Newton ein weltoffener Mann, der mit anderen Menschen auf natürliche Weise Umgang pflegte. Moivre pflegte Umgang nur mit Zahlen und Theorien - Wirtschaftstheorien, Spieltheorien.Versicherungstheorien. Moivre war das beste Beispiel dafür, dass das größte Talent wertlos war, wenn es das einzige Talent war.
    Als John Law zum ersten Mal das »Slaughter's« aufsuchte, fiel ihm die ungepflegte Erscheinung des Monsieur Moivre sofort auf. Was ihn neugierig machte, waren die zahlreichen Bücher auf seinem Tisch. Moivre saß vor einem Stapel Papier und schrieb und schrieb. Immer wieder blickte er gehetzt auf, ohne jemanden im Raum wahrzunehmen, und schrieb dann weiter John Law setzte sich einfach neben ihn und schwieg. Er wusste, dass man zu allen Menschen Zugang fand, wenn man nur ihre Sprache sprach. John Law setzte sich also an Moivres Tisch, bestellte einen Tee und genoss die Ruhe.
    »Können Sie das Risiko als Verlustchance definieren?«, fragte Moivre plötzlich, ohne im Schreiben innezuhalten. Er schien John offenbar für einen Studenten zu halten.
    »Das Risiko, eine Summe zu verlieren, ist die Kehrseite der Erwartung, und ihr wahres Maß ist das Produkt aus der gewagten Summe, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Verlustes.«
    Moivre hob nicht einmal den Kopf. »Wie hoch ist bei zwölf fehlerhaften Nadeln in einer Produktion von hunderttausend Stück die Wahrscheinlichkeit, dass in der Gesamtproduktion die tatsächliche Durchschnittsquote an Fehlstücken 0,01 beträgt?«
    »Sir«, entgegnete Law höflich, »das ist die Formel für die A-posteriori-Wahrscheinlichkeit zum Bayer'sehen Satz. Aber ich habe nicht die Absicht, als Gedächtniskünstler auf Jahrmärkten aufzutreten.«
    Monsieur Moivre sah immer noch nicht auf: »Was wollen Sie dann? Eine Anstellung in einer Versicherungsgesellschaft? Price Water sucht Mathematiker, die eine Sterblichkeitstabelle der Londoner Bevölkerung erstellen können und daraus die Prämien für Lebensversicherungen und Leibrenten ableiten können.«
    Jetzt legte Moivre seine Feder nieder und schaute John Law in die Augen. Der Franzose stank nach Fisch und Knoblauch. Sein Gesicht war fahl und unrasiert, die Nackenhaare kräuselten sich in alle Richtungen. Moivre war erst dreißig Jahre alt, aber er sah so aus, als hätte er die letzten zehn Jahre mit einem immensen Vorrat Gin tief unten in einem Bergwerk verbracht.
    »Schickt Sie Thomas Neale?«, fragte Moivre, als John nicht antwortete.
    John Law schmunzelte. Er kannte keinen Thomas Neale, aber er wollte sehen, worauf der Franzose hinauswollte. »Vielleicht.«
    »Also«, begann Moivre gereizt, »dann hat Sie Thomas Neale geschickt. Sagen Sie ihm: Es gibt bereits in Venedig eine Staatslotterie. Und es gibt eine in Holland. Und jetzt will er auch eine veranstalten. Soll er doch. Aber ich befasse mich nicht mit der Theorie von Staatslotterien. Dafür kann er sich irgendeinen Studenten nehmen.«
    »Ganz Ihrer Meinung. Aber bitte verraten Sie mir doch: Wer ist Thomas Neale?«, fragte John Law und grinste übers ganze Gesicht. Moivre wollte schmunzeln, aber er schien es doch verlernt zu haben. Er nuschelte griesgrämig: »Sie kennen Thomas Neale nicht? Den Münzmeister des Königs? Wenn Sie in irgendeinem Salon Spiele um Geld veranstalten wollen, brauchen Sie von Thomas

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