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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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langes Leben, Gesundheit und Gottes Gnade, und wenn unser Sonnenkönig eines Tages sterben sollte, dann steht sein Sohn, der Dauphin, bereit. Sollte dieser sterben, steht sein Enkel, der Due de Bourgogne, bereit. Sollte dieser auch sterben, steht sein Großenkel, der Due de Bretagne, bereit. Sollte dieser auch noch sterben, dann besteige ich, der Due d'Orleans, den Thron. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass drei Thronerben sterben, ist sehr klein, wie uns John Law of Lauriston jederzeit wird bestätigen können.« Nun blickten alle zu John Law. Er nickte freundlich und überließ es dem Herzog, seine Gedanken weiter auszubreiten. »Es gibt allerdings noch die Möglichkeit, dass der allseits geschätzte Due d'Orleans vor den drei Thronerben stirbt und am Ende der König alle überlebt und tatsächlich das Pharao-Spiel verbietet.«
    Die Gäste lachten wieder und blickten erwartungsvoll zu John Law.
    »Die Chance, dass alle drei Thronfolger vor unserem hoch geschätzten Herzog sterben ...«
    »... und vor lauter Kummer gleich noch unser König...«, unterbrach ihn der Herzog und erntete erneut Gelächter.
    »... diese Chance«, fuhr John Law fort, »beträgt für den Herzog genau fünf Prozent, zumal es bei fünf Personen genau hundertzwanzig mögliche Sterbefolgen gibt. Und nur gerade in sechs von hundertzwanzig Sterbefolgen käme unser hoch begnadeter Herzog zum Zuge.«
    Es wurde demonstrative Enttäuschung geäußert.
    »Bei diesem Rechenmodell«, ergänzte John Law, »habe ich das Alter der fünf involvierten Personen nicht berücksichtigt. Das Modell ließe sich verfeinern, wenn man das Alter, die gesundheitliche Veranlagung und die Gefährlichkeit der täglich ausgeführten Betätigungen mit einbeziehen würde. Auf diese Weise ließen sich sogar Versicherungen gegen den Tod abschließen. Aber sterben müssten wir trotzdem. Denn langfristig sind wir
alle
tot.«
    Die Gäste waren begeistert. Sie begannen angeregt zu debattieren, während John Law routiniert den ersten Satz Karten auf den dafür vorgesehenen Feldern des Tisches platzierte, den zweiten Satz Karten mit flinken Händen mischte, den Stapel in zwei Hälften teilte und die Gäste bat, ihre Einsätze auf die entsprechenden Karten zu tätigen.
    »Messieurs, faites vosjeux.« Die Gespräche verstummten. Es wurde plötzlich ruhig im Saal. Andächtig standen die Gäste beisammen und schauten gebannt auf den Tisch. Entlang der Fenster waren die Lichter erloschen. Nur der illustre Ölleuchter, dessen Arme wie die Strahlen einer Sonne über den Tisch strahlten, tauchte die Mitte des Saals in ein warmes, flackerndes Licht. Bis tief in die Nacht setzten die jungen Adligen ihre Jetons auf die Zehn, das Ass, den Bauern, den König, die Sieben, kokettierten mit ihren Verlusten und Gewinnen, unterschrieben Verlustscheine und machten anderen Gästen Platz. Hingerissen verfolgten die Gäste, wie große Summen gesetzt und verloren, wie große Vermögen in wenigen Stunden empfindlich dezimiert wurden. John Law spielte, spielte sein Spiel, das er in Venedig noch verfeinert und verbessert hatte.
    Er zeigte wie üblich keinerlei Emotionen, keine Gefühle, keine Regung. Seine Handbewegungen waren stets gleich, ob er Jetons einsammelte oder austeilte. Man hatte nie den Eindruck, dass John Law in irgendeiner Weise an diesem Spiel beteiligt war, dass er eigenes Geld verlor oder gewann. Dabei beantwortete er freimütig Fragen zu mathematischen Versicherungsmodellen, die die Leute offenbar sehr zu interessieren schienen, nachdem jemand erzählte hatte, dass seit einigen Jahren in London ein gewisser Edward Lloyd unten an der Themse ein Kaffeehaus führte, in dem nicht nur der erste Schiffsfahrplan Londons publiziert wurde, sondern auch täglich Nachrichten über gefährliche Destinationen, Rohstoffpreise und Schiffsauktionen ausgetauscht und Schiffsversicherungen abgeschlossen wurden. Edward Lloyd war dabei, sich vom einfachen Kaffeehausbetreiber zum weltweit bedeutendsten Schifffahrtsversicherer zu mausern. »Ungewissheit«, schloss John Law seinen versicherungsmathematischen Exkurs ab, »Ungewissheit ist messbar, berechenbar. Wie der Ausgang dieser Pharao-Runde. Ungewissheit wird gleichgesetzt mit unbekannten Wahrscheinlichkeiten.«
    »Monsieur Law«, fragte einer der Spieler zu vorgerückter Stunde, »was würden Sie tun, wenn unser König das Pharao-Spiel verbieten würde?«
    »Ich würde es umbenennen - und weiterspielen«, antwortete John Law, ohne zu überlegen, und mischte

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