Das große Yogabuch
Rücken so zusetzt, sondern es sind auch Stress, Kummer und Belastungen. Der Yoga ist als eines der ältesten und erprobtesten Anti-Stress-Programme sehr gut geeignet, hier Abhilfe zu schaffen. Deshalb sollte die Übungspraxis nicht neuen Stress durch zu hohe Anforderungen produzieren.
Atemtypen und individuelles Üben
Ob wir bei einer Anstrengung besser ein- oder ausatmen, ob wir das Kinn zur Brust ziehen oder eher leicht anheben, den Brustkorb gern weiten oder lieber das Becken entspannen – all das ist keine »Glaubensfrage«, sondern eine Frage des Atemtyps. Im Yoga führt diese Erkenntnis zu einem wesentlich individuelleren Üben – und für viele zu einer spürbaren Erleichterung in der Praxis.
Nicht alle Menschen reagieren mit ihrem Atem und ihrem Körper auf die gleiche Weise. Diese Erfahrung musste ich als Yogalehrerin immer wieder machen. Ich leitete ein Asana, einen Bewegungsablauf oder ein Pranayama an, so wie ich es als körpergerecht empfand – und wenn ich dann nachfragte, kam oft von etwa der Hälfte meiner TeilnehmerInnen die Rückmeldung, dass sie meine Erfahrung nicht teilen konnten oder sogar als hinderlich empfanden. Viele Jahre lang konnte ich mir keinen Reim auf dieses Phänomen machen und half mir dadurch, dass ich möglichst viel Spielraum in meine Ansagen einbaute. Als ich dann bei einer Stimmschulung das Konzept der bipolaren Atemtypen kennen- und anwenden lernte, wurde mir einiges klar. Ich begriff, dass mein Atem einer bestimmten, individuellen Dynamik folgt und dass sich alle meine Atem-, Haltungs- und Bewegungsmuster dieser Dynamik unterordnen.
Ich liebe es zum Beispiel, im Sonnengruß meine Arme bis zum Äußersten gedehnt zu heben und dabei so einzuatmen, dass sich mein Brustkorb weitet und hebt. Das fühlt sich richtig und gut für mich an, und deswegen hatte ich es auch immer auf diese Weise unterrichtet. Dass jemand dies nicht nur nicht angenehm findet, sondern sogar klagt, dass es ihm die Luft abschneidet, war für mich sowohl mental als auch emotional kaum vorstellbar – zumal sich mein Lehren weitgehend mit dem deckte, was ich selbst von meinen Lehrern gelernt hatte. Ein anderes Vorgehen als das eigene oder erlernte für möglich zu halten, fällt uns eben oft sehr schwer …
In den folgenden Jahren lernte ich viel darüber, dass die Atemdynamik und die Art, wie sich unser Körper organisiert, uns in zwei polare Atemtypen unterscheidet: den einatembetonten (lunaren) Typ und den ausatembetonten (solaren) Typ.
»Schon vor Jahrtausenden wusste man in Asien um die Polarität des Atems in Abhängigkeit von Naturgesetzen, die von Sonne und Mond ausgehen. Dem Musiker Erich Wilk verdankt der westliche Kulturkreis die Entdeckung der bipolaren Atemtypenlehre. Es finden sich unter anderem Quellen dazu im indischen Hatha-Yoga (Ha = Sonne, -tha = Mond).«
Christian HAgena, www.hagena.info
Polare Atemdynamik nach Erich Wilk
Erich Wilk, ein Musiker und Naturforscher, beobachtete im letzten Jahrhundert, dass es zwei unterschiedliche Grundprägungen des Menschen gibt, die unter anderem seinen Atemrhythmus bestimmen. Aufgrund dieser Erkenntnis entwickelte er die nach ihm benannte Typenlehre.
Überall in der Natur finden wir Polaritäten. Sie bestimmen den Rhythmus des Lebendigen in Tag und Nacht, Aktivität und Ruhe, Anspannen und Lösen, Ein- und Ausatmen. Ein rhythmisches Geschehen ist dadurch gekennzeichnet, dass einem betonten, starken Impuls ein unbetonter, leichter folgt. Dies geschieht in ständiger Wiederholung: betont – unbetont, aktiv – passiv, führend – folgend. Das bedeutet auf den Atemrhythmus bezogen:
• Wenn unser Atemzentrum die äußere Zwischenrippenmuskulatur und die ihr zugeordneten Muskelgruppen aktiviert und dadurch unser Brustkorb geweitet und gehoben wird, dann folgt im Moment des Lösens die Verengung automatisch, passiv.
• Wenn unser Atemzentrum die innere Zwischenrippenmuskulatur und die ihr zugeordneten Muskelgruppen aktiviert und dadurch unser Brustkorb verengt und gesenkt wird, dann folgt dem Moment des Lösens die Dehnung automatisch.
Die Zusammenarbeit der Einatem- und der Ausatem-Muskelketten ist ein dynamisches Wechselspiel, in dem je nach Atemtyp entweder die dehnende Einatmungs- oder die verengende Ausatmungsbewegung führend ist.
Der Einfluss von Mond und Sonne auf unseren Atem
Erich Wilk fand heraus, dass es zwischen der vorherrschenden kosmischen Kraft des Mondes (lunar) und der Sonne (solar) und der Prägung unseres Atemrhythmus
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