Das große Zeitabenteuer
plumpen Hausfrauen vorbei, die hier ihre Einkäufe tätigten. O'Leary sog prüfend die Luft ein und roch frisches Brot. Bisher hatte er gar nicht gemerkt, wie hungrig er war. Aber er hatte schon lange nichts mehr gegessen.
Die Bäckerei war mit zwei winzigen Tischen als eine Art Cafe eingerichtet. O'Leary bestellte Hörnchen und eine Tasse Kaffee bei einem rotbackigen Mädchen in weißem Kittel. Er griff nach seinem Geld und zögerte. Vielleicht suchte die Stadtwache bereits nach ihm. Er durfte nicht überall mit Goldstückchen um sich werfen, aber wenn er auch etwas Silber in der Tasche hatte …
Er konzentrierte sich auf Silbermünzen und sah dann vorsichtig nach. Erfolg! Er nahm einen halben Dollar, gab ihn dem Mädchen, ging zur Tür …
»Verzeihung, Sir!« sagte das Mädchen laut. »Sie haben mir ausländisches Geld gegeben – natürlich aus Versehen …«
»Tut mir leid«, murmelte O'Leary. Er legte statt dessen ein Goldstück auf die Theke. »Der Rest ist für Sie.« Er lächelte und wollte gehen …
»Sir! Ein ganzer Sovereign! Warten Sie eine halbe Sekunde, dann laufe ich zu Meister Samuel hinüber und …«
»Lassen wir das; ich… äh … ich habe es eilig.« Lafayette trat auf die Straße hinaus, aber das Mädchen blieb hinter ihm. »Sind Sie übergeschnappt, Sir?« rief es empört. »Einen Sovereign für Hörnchen und Kaffee!«
Die Leute starrten. Eine dicke Frau mit einem Korb am Arm blieb stehen und drehte sich ruckartig um. Dann zeigte sie auf Lafayette.
»Das ist er!« kreischte sie. »Gestern abend auf dem Ball! Ich habe den Schurken ganz deutlich gesehen, als ich die Lampen geputzt habe!«
Lafayette rannte an ihr vorbei um die nächste Ecke. Hinter ihm stieg ein Schrei auf; die Verfolgung kam in Gang. Als O'Leary sich umdrehte, sah er einen kräftigen Mann mit offener Weste um die Ecke biegen.
Lafayette spurtete, stieß einen Töpferkarren um, verschwand in der nächsten Gasse und rannte weiter auf eine Kirche zu. Aus einer anderen Gasse tauchte ein Mann auf, breitete die Arme aus und wollte den Weg versperren; O'Leary setzte ihn mit einem Handkantenschlag außer Gefecht, sprang über ihn hinweg und erreichte einen kleinen Platz. An einer Seite erhob sich eine Mauer. Er lief darauf zu, zog sich hoch und sprang in einen winzigen Hinterhof hinab, in dem ein alter Mann Rosen schnitt. Der Alte riß den zahnlosen Mund auf, als O'Leary an ihm vorbei ins Haus lief und durch die Vordertür auf eine ruhige Seitenstraße hinaustrat. Lafayette blieb kurz stehen und sah nach beiden Seiten.
Die Verfolger bogen kaum hundert Meter von ihm entfernt um eine Ecke und stießen einen lauten Schrei aus, als sie ihn erblickten. O'Leary rannte nach links davon. Wenn es ihm gelang, die nächste Seitenstraße zu erreichen …
Die Gasse machte einen Bogen und endete auf einem weitläufigen Platz mit Springbrunnen und Blumenbeeten; die Morgensonne beleuchtete die Türme der Kathedrale jenseits des Platzes. Vor Lafayette öffnete sich eine einladende Straße. Er ging gebückt weiter; vielleicht verloren seine Verfolger ihn aus den Augen, wenn er in der Menge untertauchte. Die Leute wichen zur Seite, eine mütterliche Frau drückte ihm ein kleines Geldstück in die Hand, und ein Krüppel, der mit dem Hut im Schoß unter einer Laterne hockte, starrte ihn prüfend an.
»He, Kumpel, bist du schon in der Gewerkschaft?«
O'Leary schüttelte den Kopf, richtete sich wieder auf und trabte weiter. Er suchte einen Park oder eine Anlage, in der er sich vielleicht im Unterholz verstecken konnte. Seine Verfolger waren erneut herangekommen; an der Spitze lief jetzt ein großer Mann, der eine Heugabel schwang. Lafayette bog nach rechts ab, sah etwas Grünes und rannte keuchend darauf zu. Er warf sich ins Gras, kroch hinter eine niedrige Hecke und beobachtete von dort aus, wie die Verfolger vorbeiströmten. Anscheinend hatte niemand gesehen, daß er im Park verschwunden war. Vielleicht befand er sich hier vorläufig in Sicherheit.
Er folgte der Hecke und erreichte in ihrem Schutz eine Gruppe Lebensbäume; dort ruhte er sich kurz aus und kroch dann zwischen die Bäume. Hier saß er in aller Ruhe und wartete die Dunkelheit ab. Offenbar wußte die gesamte Stadt, daß er ins Schlafzimmer der Prinzessin vorgedrungen war; bis er dieses kleine Mißverständnis aufgeklärt hatte, würde er hier keinen Frieden mehr finden.
Der Mond ging bereits über der Kathedrale auf, als O'Leary sein Versteck endlich verieß. Die unzureichend
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