Das Großelternbuch
dass meine Tochter mir die Bemerkung nicht übel genommen hat.
Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob es der Mühe wert ist, die Großeltern zu grüßen und »bitte« und »danke« zu sagen. Das wird jede Familie nach ihrem persönlichen Stil entscheiden; die einen werden denken, es sei der Mühe wert, den Kindern ein bisschen »Benimm« beizubringen oder auch, die Großeltern nicht zu kränken, und die andern werden das unsinnig finden.
Höflichkeitsgesten lernen sich langsam
Wie viel von den Höflichkeitsgesten sollen Kinder lernen – auch zum Beispiel, dass man Ältere zuerst durch die Tür gehen lässt, dass man ihnen im Bus seinen Platz anbietet? Es kann wohl nicht schaden und tut auch nicht weh, wenn Kinder wissen, dass das früher erwartet wurde, die einen mögen’s dann tun und die anderen nicht. Wir können keinen Respekt erwarten, nur weil wir älter sind, aber wir können unseren Enkelkindern erklären, dass es Gesten der Freundlichkeit oder der Fürsorge sind, die das Leben für alle angenehmer machen. Übrigens beschwerte sich schon Sokrates über die schlechten Manieren der damaligen Jugend, dass sie nicht aufstünden, wenn Ältere das Zimmer beträten, und dass sie immer widersprächen. Das war vor 2400 Jahren! Die Welt ist wohl seither nicht besser oder schlechter geworden.
Oder doch? Das hat es doch früher nicht gegeben, dass ein Kind zu seiner Mutter oder zu seiner Großmutter sagte: »Du alte Sau!« Was macht man da?
Schimpfwörter nicht hinnehmen
Kinder sind heute weniger gehemmt als früher, ihren Ärger oder ihre Wut herauszulassen, sie gebrauchen die tollsten Schimpfwörter, als müsste es so sein. Wie weit die Familie das hinnimmt, müssen die Eltern entscheiden.
Die Großeltern sollten ihre persönliche Würde verteidigen. Sicher lohnt es sich, darüber nachzudenken, warum das Kind Sie beleidigen will. Vielleicht fühlt es sich geärgert oder ist enttäuscht, vielleicht möchte es nur mal ausprobieren, was passiert, wenn es Sie so direkt angreift. Sagen Sie in solchen Situationen also nicht: »Das sagt man nicht, das tut man nicht«, sondern sprechen Sie von sich: »Ich will das nicht hören. Es verletzt mich. Ich rede doch auch nicht so mit dir.«
Respekt vor der Würde der anderen
Ich bin nicht der Meinung, man sollte alles überhören und so tun, als wenn nichts wäre. Wir dürfen uns niemals entwürdigen lassen, denn das steigert nur die Aggression. Es ist wie eine Aufforderung weiterzumachen. Bleiben Sie ruhig, aber wehren Sie die Beleidigungen ab. Es geht nicht darum, ob das Kind unartig ist, sondern dass es Sie verletzt hat und dass Sie das nicht noch einmal erleben wollen.
Und vergessen Sie nicht, wie oft die Kinder mit ebenso spontanen Äußerungen und Zeichen der Zuneigung auf Sie zukommen, mit Anrufen und Bildern und kleinen Geschenken. Mein vierjähriger Enkelsohn sah mich neulich über den Esstisch hinweg an und sagte: »Das tut mir aber Leid, dass du immer allein in deinem Haus bist!« Das zeigte mehr an Freundlichkeit und Fürsorge als alles gute Benehmen zusammengenommen!
Probleme mit dem Essen
Ich hatte meine Tochter mit ihrem Mann und den drei Kindern zum Essen eingeladen und wollte natürlich etwas Gutes auf den Tisch bringen, etwas, das allen schmecken würde. In einer Zeitschrift hatte ich ein Wurstrezept entdeckt und dachte: »Hm, Wurst, das essen alle gern!« Trotzdem fragte ich erst noch bei meiner Tochter nach, ob das wohl das Richtige sei, und sie
meinte, ja. Die Wurst kam auf ein Gemüsebett, sie wurde mit einer Soße und Käse überbacken. Dazu gab es Kartoffeln, es waren aber auch noch ein paar Spagetti vom Vortag da, die ich in der Pfanne aufbriet. Diese Spagetti, nackt und bloß, waren der Renner. Von den Wurstscheiben aßen die drei Kinder insgesamt fünf, vom Tomatengemüse zusammengenommen einen Esslöffel. (Zum Glück gab es zum Nachtisch Apfeleis, das die Kinder selbst zubereitet hatten.)
Nur noch Spagetti?
Ziemlich betrübt über meinen Misserfolg, sprach ich darüber mit einer Freundin. Die meinte, es sei vielleicht ein Irrtum der Erwachsenen anzunehmen, dass Kinder gern immer etwas Neues auf dem Tisch haben wollen wie wir. Vielleicht sind sie zufrieden, wenn es immer das Gleiche gibt, ein Gericht, das sie gern essen? Ich werde das ausprobieren. Ich werde mit den Enkeln verhandeln, welches Gericht allen am besten schmeckt, und es so lange immer wieder bei ihren Besuchen auf den Tisch
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