Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
es seiner Familie zu dumm wurde, sie ihn hinauswarf, und wie so viele Verzweifelte war er in der Mangachería gestrandet, und dort blieb er auch. Er begann seinen Lebensunterhalt mit der Gitarre zu verdienen, in der Chichería von Angélica Mercedes, einer Verwandten des Bullen. Auf diese Weise lernte er den Lastwagenfahrer kennen, und so schlossen sie Brüderschaft. Der Jüngling Alejandro trank viel, aber der Alkohol verführte ihn nicht zu Raufereien oder dazu, den Mädchen zu nahe zu treten, nur zum Komponieren von Liedern und Versen, die immer von einer Enttäuschung handelten und die Frauen undankbare, betrügerische, unaufrichtige, ehrgeizige Geschöpfe und eine Heimsuchung der Männer nannten.
Seit er Freundschaft geschlossen hatte mit dem Bullen und dem Jüngling Alejandro, änderte der Arpista seine Gewohnheiten. Er wurde ein sanfter Mensch, und sein Leben schien in Ordnung zu kommen. Er wanderte nicht mehr den lieben langen Tag umherwie eine Seele im Fegfeuer. Abends ging er zu Angélica Mercedes, der Jüngling drängte ihn zum Spielen, und sie bestritten Duos. Der Bulle unterhielt die Stammgäste mit Anekdoten von seinen Reisen, und zwischen zwei Stücken setzten sich der Alte und der Gitarrist mit dem Lastwagenfahrer zusammen an einen Tisch, tranken einen Schnaps, unterhielten sich. Und wenn der Bulle beschwipst war, seine Augen sprühten, setzte er sich vor eine Kiste oder packte ein Brett und pochte den Takt, sang sogar mit ihnen, und seine Stimme klang nicht schlecht, wenn auch heiser. Er war ein Riesentrumm von einem Mann, der Bulle: Schultern wie ein Boxer, enorme Hände, winzige Stirn, ein Mund wie ein Trichter. In der Hütte von Patrocinio Naya brachten Don Anselmo und der Gitarrist ihm das Spielen bei, schärften sein Gehör, trainierten seine Hände. Die Mangaches lugten durch die Binsenwand und sahen den Arpista wütend werden, wenn der Bulle aus dem Takt kam, den Text vergaß oder falsch sang, und hörten den Jüngling Alejandro melancholisch den Lastwagenfahrer in die geheimnisvollen Wendungen seiner Lieder einweihen: Augen aus Morgenrot, blonde Schleier der Frühe, Gift, das du damals geträufelt, böses Weib, mit deiner Liebe, in mein schmerzendes Herz.
Es war, als hätte der Umgang mit den beiden jungen Männern Don Anselmo die Lust zu leben wiedergegeben. Niemand traf ihn mehr im Sand hingestreckt beim Schlafen an, er lief nicht mehr wie einSchlafwandler herum, sogar sein Haß auf die Aasgeier hatte nachgelassen. Sie gingen überall zusammen hin, die drei, der Alte zwischen dem Jüngling und dem Bullen, und sie legten einander die Arme um die Schultern wie Schulkinder. Don Anselmo sah weniger schmutzig aus, weniger verwildert. Eines Tages sahen die Mangaches ihn sogar eine weiße Hose einweihen und glaubten, daß es sich um ein Geschenk von Juana Baura oder irgendeinem der greisen Principales handelte, die ihn umarmten, wenn sie ihn in einer Chichería trafen, und ihn zu einem Schnaps einluden, aber es war ein Geschenk des Bullen und des Jünglings gewesen, zu Weihnachten.
Zu jener Zeit war es, daß Angélica Mercedes die Kapelle fest engagierte. Der Bulle hatte sich eine Trommel und ein paar Tschinellen besorgt, wußte gut damit umzugehen und war unermüdlich: wenn der Jüngling und der Arpista die Ecke verließen, um sich die Kehle anzufeuchten und den Körper zu stärken, blieb der Bulle sitzen und spielte Solos. Vielleicht war er von den dreien der am wenigsten Begabte, aber er war der Fröhlichste, der einzige, der sich dann und wann ein humorvolles Lied gestattete.
Nachts spielten sie also bei Angélica Mercedes, vormittags schliefen sie, aßen zusammen bei Patrocinio Naya zu Mittag, und nachmittags probten sie dort. Im glühenden Sommer wanderten sie flußaufwärts, zum Chipe, badeten und besprachen die neuen Kompositionen des Jünglings. Sie hatten sich das Herz allergewonnen, die Mangaches duzten sie, und sie duzten groß und klein. Und als die Santos, Hebamme und Abtreiberin, sich mit einem von der Stadtpolizei verheiratete, kam die Kapelle zur Fiesta, spielte umsonst, und der Jüngling Alejandro brachte einen pessimistischen Walzer über die Ehe zur Erstaufführung: sie beleidigt die Liebe, dörrt sie aus und versengt sie. Und von da an spielte die Kapelle unfehlbar und umsonst bei jeder Taufe, Firmung, Totenwache oder Verlobung in der Mangachería. Aber die Mangaches vergalten es ihnen mit kleinen Geschenken, Einladungen, und einige Frauen nannten ihre Söhne Anselmo,
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