Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
hast keine Seele, aber Freundschaft war mehr wert als Geschäfte, Dankbarkeit, Fushía, deinetwegen bin ich kein Hund in Moyobamba mehr, das Herz vergißt nicht, ohohoh, ahahah, und Don Aquilino, jetzt hat’s endlich angefangen, Lalita, drück, drück, damit er nicht erstickt beim Rauskommen, drück so fest du kannst, schrei. Er hatte das Messer in der Hand und sie betet, ohohoh, Fushía, und Don Aquilino würde sie massieren, aber drück, drück, Fushía brachte die Lampe heran und schaute, der Alte, tröst sie ein bißchen, halt ihre Hand fest, Mensch, und sie, Wasser bitte, sie ging drauf, die Jungfrau sollte ihr beistehen, der Christus von Bagazán sollte ihr beistehen, Jesus, Jesus, sie versprach’s ihm, und Fushía, da hast du Wasser, schrei nicht so, und als Lalita die Augen öffnete, blickte Fushía auf den Teppich, und Don Aquilino, ich trockne dir gerade die Beine ab, Lalita, ist schon alles vorbei, hast gesehen, wie schnell das gegangen ist? Und Fushía, ja, Alter, es ist ein Junge, aber lebt er? rührt sich nicht und atmet nicht. Don Aquilino bückte sich, hob ihn vom Teppich auf, und er war dunkel undschmierig wie ein Äffchen und er schüttelte ihn, und da schrie er, Lalita, schau ihn an, und die ganze Angst umsonst und sie sollte jetzt schlafen, und sie, ohne Sie wär ich gestorben, sie wollte, daß ihr Sohn Aquilino heiße, und Fushía, aus Freundschaft halt, denn so ein häßlicher Name und Don Aquilino und Fushía? Und er, eigenartig, Vater zu sein, Alter, das muß ein bißchen gefeiert werden, und Don Aquilino, ruh dich aus, Mädchen, wollte sie ihn haben? da, nimm ihn, er war unsauber, reinige ihn ein bißchen. Don Aquilino und Fushía setzten sich auf den Boden, tranken Schnaps gleich aus der Flasche, und draußen waren immer noch die Geräusche, die Huambisas, der Aguaruna, Pantacha, der Lotse Nieves kotzten jetzt wahrscheinlich, und im Raum flimmerte es von kleinen Faltern, Glühwürmchen prallten gegen die Wände, wer hätte gedacht, daß er so weit von Iquitos zur Welt kommen würde, im Urwald wie ein kleiner Nacktarsch.
Die Kapelle kam bei Patrocinio Naya zustande. Der Jüngling Alejandro und Bulle, der Lastwagenfahrer, aßen da immer zu Mittag, trafen Don Anselmo an, der gerade aufstand, und während Patrocinio kochte, unterhielten sich die drei. Es heißt, der Jüngling sei der erste gewesen, der mit ihm Freundschaft geschlossen hat: er, der ebenso ein Einzelgänger war wie Don Anselmo, auch Musiker und traurig, wird im Alten eine verwandte Seele gesehen haben. Er wird ihm seinLeben, seine Leiden erzählt haben. Nach dem Essen nahm Don Anselmo die Arpa, der Jüngling die Gitarre, und sie spielten: der Bulle und Patrocinio hörten zu, waren begeistert, applaudierten. Mitunter begleitete sie der Fernfahrer auf der Kiste. Don Anselmo lernte die Lieder des Jünglings und fing an zu sagen, »der ist ein Künstler, der beste Komponist in der Mangachería«, und Alejandro, »es gibt keinen Arpista wie den Alten, niemand kann’s besser als er«, und er nannte ihn Maestro. Die drei wurden unzertrennlich. Bald ging die Kunde in der Mangachería um, daß es ein neues Trio gab, und so um Mittag herum kamen die jungen Mädchen, um gegenüber der Hütte von Patrocinio Naya spazierenzugehen und der Musik zuzuhören. Alle blickten mit schmachtenden Augen nach dem Jüngling. Und eines schönen Tages sprach’s sich herum, daß der Bulle die Firma ›Feijó‹, wo er zehn Jahre lang Lastwagenfahrer gewesen war, verlassen hatte, um Musiker zu werden wie seine beiden Kameraden.
Zu jener Zeit war Alejandro tatsächlich noch jung, hatte tiefschwarzes, sehr langes, gelocktes Haar, blasse Haut, tiefliegende und melancholische Augen. Er war schlank wie eine Gerte, und unter den Mangaches hieß es, »stoßt nicht mit ihm zusammen, bei der ersten Berührung stirbt er«. Er sprach wenig und langsam, war kein geborener, sondern ein Wahlmangache, wie Don Anselmo, der Bulle und so viele andere. Er war der Sproß einer Familie von Principales, amMalecón geboren, im Salesianum erzogen, und war drauf und dran gewesen, nach Lima zu reisen und dort die Universität zu besuchen, als ein Mädchen aus guter Familie mit einem Fremden davonlief, der durch Piura gekommen war. Der Jüngling schnitt sich die Pulsadern auf und lag viele Tage lang zwischen Leben und Tod im Krankenhaus. Er verließ es enttäuscht von der Welt und wurde Bohemien: verbrachte die Nächte mit Trinken, beim Kartenspiel mit den übelsten Subjekten. Bis
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