Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sangen nicht mehr und halblaute Gespräche tönten auf, Lächeln, Bewegung. Der Lotse Nieves und Lalita umarmten das Brautpaar, und in dem Kreis, der sich um die beiden gebildet hatte, scherzte Don Fabio, kicherten die Kinder, warteten der Fette, der Knirps, der Dunkle und der Blonde darauf, dem Sargento einer nach dem andern zu gratulieren. Aber die Oberin mischte sich ein, meine Herren, sie befanden sich in der Kapelle, Ruhe, sie sollten auf den Patio hinausgehen, und ihre Stimme übertönte die andern. Lalita und Bonifacia traten durch das Gitter, dann die Gäste, schließlich die Nonnen, und Lalita, Dummchen, sie sollte sie loslassen, Bonifacia, die Nönnchen hatten einen weißgedeckten Tisch mit Fruchtsäften und kleinen Törtchen hergerichtet, sie sollte sie doch loslassen, alle wollten ihr gratulieren. Die Pflastersteine im Patio sprühten Licht, und an den weißen Mauern des Wohnhauses, dem Sonnenglast ausgesetzt, bewegten sich Schatten wie Spalierpflanzen. Wie sie sich vor ihnen schämte, madrecitas , wagte sie nicht einmal anzusehen, und Habite, Tuscheln, Lachen, Uniformen wirbelten im Kreis um Lalita. Bonifacia hieltsie immer noch umarmt, das Gesicht im blumigen Kleid versteckt, und unterdessen empfing und teilte der Sargento Umarmungen aus: sie weinte, madrecitas , so ein Dummchen. Aber warum denn, Bonifacia? Euretwegen, Madres, und die Oberin, Dummkopf, heul doch nicht, komm, laß dich umarmen. Urplötzlich ließ Bonifacia Lalita los, drehte sich um und sank in die Arme der Oberin. Jetzt ging’s von einer Nonne zur andern, sie mußte immer schön beten, Bonifacia, ja, Mamita, sehr christlich leben, ja, sie nicht vergessen, sie würde sie nie vergessen, und Bonifacia umarmte sie sehr heftig, und sie nicht so heftig, und dicke, unfreiwillige, nicht mehr zurückzuhaltende Tränen kullerten über Lalitas Backen, löschten den Puder, ja, ja, sie würde sie immer lieben, und ließen die Narben auf der Haut erkennen, sie hatte so oft für sie gebetet, Pusteln, Flecke, Schorf. Diese Madres waren unbezahlbar, Padre Vilancio, was die ihnen da alles hergerichtet hatten. Aber, aufpassen, die Schokolade wurde kalt und der Gobernador hatte Hunger. Konnten sie anfangen, Madre Griselda? Die Oberin rettete Bonifacia aus den Armen der Madre Griselda, natürlich konnten sie anfangen, Don Fabio, und der Kreis öffnete sich: zwei Mündel hielten die Fliegen fern vom mit Schüsseln und Krügen überladenen Tisch, und zwischen ihnen stand eine dunkle Gestalt. Wer hatte das alles für sie zubereitet, Bonifacia? Sie sollte mal raten, und Bonifacia schluchzte auf, Madre, sag, daß du mir verziehen hast, zerrte an der Tracht derOberin, das sollte sie ihr zum Geschenk machen, Madre. Dünn, rosig, zielte der Zeigefinger der Oberin auf den Himmel: hatte sie Gott um Verzeihung gebeten? hatte sie bereut? Jeden Tag, Madre, und dann hatte er ihr vergeben, aber sie mußte mal raten, wer war’s wohl gewesen? Bonifacia seufzte, wer schon, ihre Augen suchten sie unter all den Nonnen, wo war sie denn? wohin war sie verschwunden? Die dunkle Gestalt schob die beiden Mündel beiseite und kam auf sie zu, gebeugt, mit schlurfenden Füßen, das Gesicht mürrischer denn je; so, endlich erinnerte sie sich ihrer, diese Undankbarste, diese Schlimme. Aber Bonifacia war schon auf sie zugestürzt, und Madre Angélica verlor den Halt in ihren Armen, der Gobernador und die andern hatten angefangen, Törtchen zu essen, und sie war’s gewesen, ihre Mamita, und Madre Angélica, nie war sie sie besuchen gekommen, Teufelin, aber geträumt hatte sie von ihr, jeden Tag und jede Nacht an ihre Mamita gedacht, und Madre Angélica, sie sollte doch hiervon, davon probieren, vom Saft trinken.
»Keinen Schritt hab ich in die Küche machen dürfen, Don Fabio«, sagte Madre Griselda. »Diesmal müssen Sie die Madre Angélica loben. Sie hat ihrem verzogenen Liebling das alles hergerichtet.«
»Was hab ich für die da eigentlich noch nicht getan?« sagte Madre Angélica. »Ich war schon ihr Kindermädchen, ihr Dienstmädchen, jetzt ihre Köchin.«
Ihr Antlitz bemühte sich angestrengt, weiterhin mürrisch und böse dreinzublicken, aber die Stimme versagteihr, sie röchelte wie eine Heidin, und auf einmal füllten sich ihre Augen mit Tränen, ihr Mund verzog sich, und sie brach in Schluchzen aus. Ihre alte, gekrümmte Hand tätschelte Bonifacia ungeschickt, und die Madres und die Guardias reichten die Schüsseln herum, füllten die Gläser, Padre Vilancio und Don Fabio
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