Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Selvática. »Ist schon sehr spät.«
Die Tür stand offen, und die Sonne drang herein wie ein ungestümes Feuer, alle Winkel des Saales loderten. Über den Dächern des Viertels schien der Himmel überaus hoch zu hängen, wolkenlos, sehr blau, und auch die goldene Kuppe der Sandwüste war zu sehen und die dürren und rachitischen Algarrobos.
»Wir bringen dich heim, Mädchen«, sagte der Arpista. »Dann brauchst du kein Geld fürs Taxi auszugeben.«
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I
Bonifacia erwartete den Sargento unten vor der Cabaña. Der Wind blies ihre Haare hoch wie einen Hahnenkamm, und an die Haltung eines kleinen Gockels erinnerte auch ihr zufriedenes Aussehen, die Art, wie sie die Beine in den Sand stemmte, und ihr strammer und vorwitziger Popo. Der Sargento lächelte, liebkoste Bonifacias bloßen Arm, Ehrenwort, er war gerührt gewesen, wie er sie so aus der Ferne gesehen hatte, und die grünen Augen weiteten sich ein wenig, die Sonne spiegelte sich wie das Vibrieren winziger Speere in jeder Pupille.
»Du hast dir die Stiefel gewichst«, sagte Bonifacia. »Deine Uniform sieht aus wie neu.«
Ein vergnügtes Lächeln rundete die Augen des Sargento und ließ sie fast verschwinden.
»Die hat die Señora Paredes gewaschen«, sagte er. »Sie hat gefürchtet, es könnte regnen, aber, so ein Schwein, kein einziges Wölkchen. Ein Tag wie in Piura.«
»Nicht einmal gesehen hast du’s«, sagte Bonifacia. »Gefällt dir mein Kleid nicht? Ist neu.«
»Tatsächlich, ich hab’s gar nicht bemerkt«, sagte der Sargento. »Steht dir gut. Gelb ist wie geschaffen für kleine Dunkelhäuter.«
Es war ein ärmelloses Kleid, mit einem viereckigen Ausschnitt und weitem Rock. Der Sargento betrachtete Bonifacia strahlend, seine Hand streichelte immer noch ihren Arm, und sie hielt ganz still, ihre Augen in denen des Sargento. Lalita hatte ihr ein Paar weiße Schuhe geliehen, gestern abend hatte sie sie anprobiert und sie taten ihr weh, aber in der Kirche würde sie sie anziehen, und der Sargento blickte auf ihre bloßen Füße, die tief in den Sand eingesunken waren: es gefiel ihm nicht, daß sie so ohne was an den Füßen rumlief. Hier machte es ja nichts aus, Herzblatt, aber sobald sie hier weggingen, müßte sie immer mit Schuhen gehen.
»Zuerst muß ich mich dran gewöhnen«, sagte Bonifacia. »In der Mission hab ich doch nie was anderes als Sandalen angehabt. Das ist nicht dasselbe, die drücken nicht.«
Lalita tauchte am Geländer auf: was hörte er denn vom Teniente, Sargento? Ein Band hielt ihre langen Haare zusammen, und an ihrem Hals leuchtete eine Kette aus Glasperlen. Ihre Lippen waren geschminkt, wie hübsch die Señora sich hergerichtet hatte, ihre Wangen mit Rouge gepudert, der Sargento würde sich gleich mit ihr verheiraten, und Lalita, war der Teniente noch nicht zurück? gab’s nichts Neues?
»Nichts gehört«, sagte der Sargento. »Nur daß er immer noch nicht in der Garnison von Borja eingetroffen ist. Scheinbar regnet’s sehr stark, werden unterwegs davon überrascht worden sein. Warum überhauptdiese Sorge um den Teniente, grad als wär er euer Sohn.«
»Los, gehen Sie, Sargento«, sagte Lalita unwillig. »Das bringt Unglück, wenn man die Braut vor der Messe sieht.«
»Braut!« platzte Madre Angélica heraus. »Konkubine willst du wohl sagen, Kebsweib!«
»Aber nein, madrecita «, beschwichtigte Lalita sie mit demütiger Stimme. »Braut des Sargento.«
»Des Sargento?« sagte die Oberin. »Seit wann? Wieso denn das?«
Ungläubig, verdutzt, beugten sich die Nonnen zu Lalita vor, die eine bescheidene Haltung angenommen hatte, die Hände zusammengelegt, den Kopf gesenkt. Aber sie schielte aus den Augenwinkeln auf die Madres, und ihr halbes Lächeln war hinterlistig.
»Wenn sie sich als schlecht herausstellt, haben Sie und Don Adrián schuld dran«, sagte der Sargento. »Ihr habt mich in diese Falle gelockt, Señora.«
Er lachte laut und mit offenem Mund, und sein Körper, ebenfalls erheitert, schüttelte sich von Kopf bis Fuß. Lalita hielt die Daumen, um es nicht zu berufen, und Bonifacia hatte sich einige Schritte vom Sargento entfernt.
»Los jetzt, in die Kirche!« wiederholte Lalita. »Sie berufen das Unglück und machen sie unglücklich bloß zum Scherz. Wozu sind Sie überhaupt gekommen?«
»Wozu wohl, Señora«, und der Sargento streckte dieHand nach Bonifacia aus, um seine Geliebte zu besuchen, und sie lief weg, hatte eben Verlangen nach ihr gehabt, und legte die Finger
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