Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
über Kreuz genau wie Lalita und hielt sie dem Sargento entgegen, der, immer besser gelaunt, Hexen, Hexen, in lautes Gelächter ausbrach: ah, wenn die Mangaches dieses Paar Hexen sehen könnten. Aber sie waren nicht damit einverstanden, und die kleine, zittrige Faust Madre Angélicas schoß aus dem Ärmel hervor, fuchtelte in der Luft umher und verschwand wieder zwischen den Falten des Habits: keinen Fuß würde sie in dieses Haus setzen. Sie befanden sich im Patio, vor dem Wohnhaus, und im Hintergrund hopsten zwischen den Bäumen im Obstgarten die Mündel herum. Die Oberin schien leicht geistesabwesend.
»Und Sie fehlen ihr am meisten, Madre Angélica«, sagte Lalita. »Mir geht’s besser wie keiner, sagt sie, ich hab viele Mütter, und am liebsten ist ihr ihre Mami Angélica. Sie hat eigentlich eher geglaubt, daß Sie mir helfen würden, die Frau Oberin zu bitten, madrecita. «
»Sie ist eine Teufelin mit nichts als Finten und schwarzen Künsten.« Die Faust war wieder da und wieder weg. »Aber so leicht kann sie sich bei mir nicht einschmeicheln. Sie soll doch mit ihrem Sargento gehen, wohin sie will, hier kommt sie mir nicht herein.«
»Warum ist sie nicht selber gekommen, anstatt dich zu schicken?« fragte die Oberin.
»Sie schämt sich, madrecita «, sagte Lalita. »Sie hatnicht gewußt, ob Sie sie empfangen würden oder wieder hinauswerfen. Darf sie vielleicht, nur weil sie als Heidin geboren ist, keinen Stolz haben? Verzeihen Sie ihr, Madre, schauen Sie, wo sie doch heiraten werden.«
»Wollte gerade zu Ihnen, Sargento«, sagte der Lotse Nieves. »Hab nicht gewußt, daß Sie hier sind.«
Er war auf die Terrasse herausgetreten und lehnte sich neben Lalita auf das Geländer. Er hatte eine weiße Leinenhose an und ein Hemd mit langen Ärmeln ohne Kragen. Er trug keinen Hut, die Füße steckten in Schuhen mit dicken Sohlen.
»Jetzt geht endlich«, sagte Lalita. »Adrián, bring ihn sofort weg.«
Der Lotse kam das Treppchen herunter, die Beine stocksteif, der Sargento machte vor Lalita eine soldatische Ehrenbezeigung und Bonifacia zwinkerte er zu. Sie machten sich auf den Weg zur Mission auf, nicht durch den Hohlweg, parallel zum Fluß, sondern zwischen den Bäumen des Hügels entlang. Wie war dem Sargento denn zumute? Wie lange hatte der Abschied vom Junggesellenleben gestern abend bei Paredes denn gedauert? Bis zwei Uhr, und der Fette hatte sich besoffen und war mit den Kleidern ins Wasser gehopst, Don Adrián, er selber war auch ein bißchen blau gewesen. Hatte man schon was vom Teniente gehört? Aber, schon wieder, Don Adrián? Nichts hatte man gehört, dürfte vom Regen überrascht worden sein und schäumte bestimmt vor Wut. Glück also,daß sie nicht mit ihm geblieben waren? Ja, wer weiß, vielleicht dauerte das noch eine ganze Weile, es hieß, am Santiago herrschte eine regelrechte Sintflut. Jetzt aber mal ganz ehrlich, freute er sich, daß er heiratete, Sargento? und der Sargento lächelte, seine Augen blickten einige Sekunden abwesend, und auf einmal schlug er sich mit der Hand auf die Brust: dieses Weib war ihm ans Herz gewachsen, Don Adrián, und deswegen heiratete er sie jetzt.
»Sie haben sich wie ein guter Christenmensch benommen«, sagte Adrián Nieves. »Hier heiraten bloß Paare, die schon lange zusammen sind, die Nonnen und der Padre Vilancio reden sich die Seele aus dem Leib, sie dazu zu bewegen, aber sie mögen nie. Dagegen Sie, Sie führen sie auf der Stelle vor den Altar, noch nicht einmal schwanger ist sie. Das Mädchen ist glücklich. Gestern abend hat sie gesagt, ich möcht eine gute Frau sein.«
»In meiner Heimat heißt’s, daß das Herz nie trügt«, sagte der Sargento. »Und mein Herz sagt mir, daß sie eine gute Frau sein wird, Don Adrián.«
Sie gingen langsam, wichen Pfützen aus, aber die Stiefelschäfte des Sargento und die Hose des Lotsen waren schon vollgespritzt. Die Bäume des Hügels filtrierten das Sonnenlicht, verliehen ihm eine gewisse Frische und brachten es zum Zittern. Unterhalb der Mission lag Santa María de Nieva golden und still zwischen den Flüssen und dem Dschungel. Sie sprangen über eine Erdschwelle, stiegen den steinigen Pfadhinauf, und oben, vor der Tür der Kapelle, trat eine Gruppe von Aguarunas an den Rand des Abhangs, um sie heraufkommen zu sehen: Frauen mit Hängebrüsten, nackte Kinder, scheu blickende Männer mit langen, dichten Haaren. Sie traten auseinander, um die beiden vorbeizulassen, und einige kleine Bengel streckten die Hände aus
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