Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
caucheros 3 aus der Umgegend und viele Aguarunas, die sich halbnackt und schüchtern in den Türen drängen. Am Nachmittag führen Madre Angélica und Bonifacia die Mädchen an den Fluß, lassen sie herumplätschern, fischen und auf die Bäume klettern. An Sonntagen ist der Morgenimbiß reichhaltiger, und meistens gibt es auch ein wenig Fleisch. Es sind etwa zwanzig Mädchen im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren, alle Aguarunas. Manchmal ist ein Huambisamädchen, ja sogar ein Shapramädchen unter ihnen. Aber das ist nicht häufig.
»Ich mag’s nicht, wenn ich mich nutzlos fühl, Aquilino«, sagte Fushía. »Ich wünscht, es wäre wie früher. Wir würden uns abwechseln, weißt du noch?«
»Und ob ich mich erinnere, Mensch«, sagte Aquilino. »Durch dich bin ich doch geworden, was ich jetzt bin.«
»Ja, stimmt, du würdest heute noch von Haus zu Haus gehen und Wasser verkaufen, wenn ich nicht nach Moyobamba gekommen wär«, sagte Fushía. »Wie du Angst gehabt hast vorm Fluß, Alter!«
»Nur vorm Mayo, denn da wär ich einmal beinahe ertrunken, als Junge«, sagte Aquilino. »Im Rumiyacu dagegen hab ich immer gebadet.«
»Im Rumiyacu?« sagte Fushía. »Fließt der an Moyobamba vorbei?«
»Der zahme Fluß, Fushía«, sagte Aquilino, »der durch die Ruinen fließt, da in der Nähe, wo die Lamistas hausen. Es gibt viele Orangenpflanzungen dort. Kannst du dich an die süßesten Orangen der Welt auch nicht mehr erinnern?«
»Ich schäm mich, wenn ich dich den ganzen Tag schuften seh, und ich liege hier wie eine Leiche«, sagte Fushía.
»Aber es gibt doch gar nichts zu rudern, Mann«, sagte Aquilino. »Ich brauche bloß den Kurs einzuhalten. Jetzt, wo wir durch die Schnellen sind, macht der Marañón die Arbeit ganz allein. Was mir nicht gefällt, ist, daß du so still bist und daß du immerzu den Himmel anstarrst, als sähst du dort den Chulla-Chaqui.«
»Ich hab ihn nie gesehen«, sagte Fushía. »Hier in der Selva haben ihn alle irgendwann mal gesehen, nur ich nicht. Auch darin hab ich Pech.«
»Sag lieber Glück«, sagte Aquilino. »Hast du gewußt, daß er dem Señor Julio Reátegui einmal erschienen ist? In einer Schlucht des Nieva, heißt es. Aber er hat gemerkt, daß er stark hinkte, und dabei hat er den Pferdefuß entdeckt und ihn mit Kugeln davongejagt. Übrigens, Fushía, warum hast du dich eigentlich mit Señor Reátegui verkracht? Hast ihm einen von deinen Streichen gespielt, stimmt’s?«
Er hatte ihm viele gespielt, und den ersten, ehe er ihn überhaupt kennenlernte, gerade erst in Iquitos angekommen, Alter. Viel später hatte er es ihm dann erzählt, und Reátegui hatte gelacht, du warst es also, derden armen Don Fabio beschissen hat? und Aquilino, den Don Fabio, den Gobernador von Santa María de Nieva?
»Zu Ihren Diensten, Señor«, sagte Don Fabio. »Was kann ich für Sie tun? Bleiben Sie lange in Iquitos?«
Er würde eine ganze Weile bleiben, vielleicht für immer, Geschäfte mit Holz, verstand er? wollte in der Nähe von Nauta eine Sägemühle einrichten und erwartete hier einige Ingenieure. Er hatte noch viel zu tun und würde mehr bezahlen, wollte dafür aber ein großes, bequemes Zimmer, und Don Fabio, aber gewiß, Señor, dazu war er ja da, den Gästen zu dienen, Alter: er hat’s geglaubt.
»Hat mir das beste im Hotel gegeben«, sagte Fushía. »Mit Fenstern auf einen Garten, wo Zwergpalmen wuchsen. Hat mich eingeladen, mit ihm zu Mittag zu essen, und mir unentwegt von seinem Chef erzählt. Ich hab ihn kaum verstanden, mein Spanisch war damals noch sehr schlecht.«
»War Señor Reátegui denn nicht in Iquitos?« sagte Aquilino. »War er damals schon reich?«
»Nein, richtig reich ist er erst danach geworden, durch den Schmuggel«, sagte Fushía. »Aber das kleine Hotel hat er schon gehabt, und damals hat er angefangen, mit den Eingeborenenstämmen zu handeln, deswegen ist er nach Santa María de Nieva gegangen. Hat Kautschuk und Häute gekauft und in Iquitos wieder verkauft. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, Aquilino. Aber es ist immer dasselbe, man brauchtein kleines Kapital, und ich hab keinen Centavo gehabt.«
»Hast du viel Geld mitgehen lassen, Fushía?« sagte Aquilino.
»Fünftausend Sol, Don Julio«, sagte Don Fabio. »Und meinen Paß und ein paar Bestecke aus Silber. Ich bin sehr verbittert, Señor Reátegui, ich kann mir vorstellen, was Sie von mir denken. Aber ich werd Ihnen alles ersetzen, das schwör ich, im Schweiß meines Angesichts, Don Julio, bis auf den
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