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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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rechtschaffen und beliebt waren und womit sich die Leute vergnügten, welche Ehebrüche, welche Skandale die Betschwestern und die Geistlichen in Aufruhr versetzten, wie die Piuraner es mit der Religion und der Moral hielten, welche Formen in der Stadt die Liebe annahm.
    Jeden Sonntag ging er ins Coliseo und geriet in Begeisterung über die Hahnenkämpfe wie ein alter af icionado , nachts war er der letzte, der die Bar der ›Estrella del Norte‹ verließ, spielte mit Eleganz Karten, machte hohe Einsätze und verstand zu gewinnenund zu verlieren, ohne in Aufregung zu geraten. So gewann er sich die Freundschaft der Kaufleute und Hacendados und machte sich beliebt. Die Principales luden ihn zu einer Jagd in Chulucanas ein, und er verblüffte sie alle mit seiner Schießkunst. Wenn sie ihm auf der Straße begegneten, nannten ihn die Leute vom Land vertraulich beim Vornamen, und er klopfte ihnen kräftig und herzlich auf die Schultern. Die Leute schätzten seine joviale Art, die Unbefangenheit seines Auftretens, seine Freigebigkeit. Aber alle plagte die Neugierde, alle wollten wissen, woher er sein Geld, was er früher gemacht hatte. Kleine Mythen begannen über ihn zu entstehen. Wenn sie ihm zu Ohren kamen, genoß er sie laut lachend, dementierte sie nicht und bestätigte sie nicht. Mitunter klapperte er mit Freunden die Chicha-Schenken der Mangachería ab und landete dann stets bei Angélica Mercedes, denn dort gab es eine Arpa, und er war ein vollendeter, unnachahmlicher Arpista. Während die übrigen sich mit dem Zapateo 4 vergnügten oder einander zutranken, liebkoste er in einer Ecke stundenlang die weißen Saiten, die ihm fügsam gehorchten und, wie er wollte, murmelten, lachten, schluchzten.
    Die Piuraner bedauerten nur eines: daß Anselmo unfein war und die Frauen dreist anblickte, wenn er betrunken war. Den Dienstmädchen, die barfuß die Plaza de Armas in Richtung Markt überquerten, den Weibern, die mit Krügen oder Lehmschüsseln auf dem Kopf kamen und gingen und Lúcuma-und Mangosaftfeilboten und kleine, frische Käschen aus der Sierra, den Damen, die mit Handschuhen, Schleier und Rosenkranz auf dem Weg zur Kirche vorbeidefilierten, allen machte er mit lauter Stimme Anträge und trug ihnen improvisierte Verse von recht gewagtem Inhalt vor. »Vorsicht, Anselmo« , warnten ihn seine Freunde, »die Piuraner sind eifersüchtig. Ein beleidigter Gatte, ein humorloser Vater wird Sie, wenn Sie sich’s am wenigsten erwarten, zum Duell fordern, mehr Respekt vor den Frauen.« Aber Anselmo reagierte mit lautem Gelächter, hob das Glas und brachte einen Trinkspruch auf Piura aus.
    Im ersten Monat seines Aufenthalts in der Stadt geschah noch nichts.
    Kein Grund zur Aufregung, und überdies läßt sich alles in dieser Welt zurechtbiegen, die Sonne funkelt in den Augen Julio Reáteguis,
     und die Flaschen stehen in einem Tonbehälter voll Wasser. Er selbst füllt die Gläser; der weiße Schaum perlt, dehnt sich und zerfällt zu Kratern; sie
     sollten sich nicht sorgen und, vor allem, noch ein Bierchen. Manuel Aguila, Pedro Escabino und Arévalo Benzas trinken, wischen sich mit den Händen über
     die Lippen. Durch die Drahtgitter vor den Fenstern sieht man die Plaza von Santa María de Nieva, eine Gruppe Aguarunas mahlt Maniok in bauchigen Gefäßen,
     Kinder jagen um die Capironastämme. Oben, auf den Hügeln, ist das Wohnhaus der Nonnen, ein glühendes Rechteck, und in ersterLinie
     handelte es sich um ein Projekt auf lange Sicht, und hier gediehen Projekte nicht, Julio Reátegui glaubte, daß sie sich umsonst solche Sorgen
     machten. Aber Manuel Aguila, nein, keineswegs, Gobernador, er steht auf, sie hatten Beweise, Don Julio, ein kleines und kahles Männchen mit vorquellenden
     Augen, diese zwei Kerle hatten sie verdorben. Und Arévalo Benzas, steht Don Julio auch auf, wollte festhalten, daß er es ja gesagt hatte, hinter den
     Fahnen und den Schreibheften steckte etwas anderes, und er war dagegen gewesen, daß die Lehrer kamen, Don Julio, und Pedro Escabino klopft mit seinem Glas
     auf den Tisch, Don Julio: die Genossenschaft war eine Tatsache, die Aguarunas würden selbst nach Iquitos gehen und dort verkaufen, die Caciques waren in
     Chicais zusammengekommen, um darüber zu sprechen, und so war die Lage in Wirklichkeit und alles andere Blindheit. Nur eben kannte Julio Reátegui keinen
     einzigen Aguaruna, der wüßte, was Iquitos oder eine Genossenschaft ist, wer hatte Pedro Escabino denn diesen Bären aufgebunden?

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