Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
hochzuheben, die Moskitos haben ihn nach Herzenslust zerstochen, die Haut brennt, seine Beine sind wie die des Capitán Quiroga, von dem der Cabo erzählt hatte, wie stand’s wohl mit dem? ob die Urakusa ihn laufenließen? die tobten, vielleicht bringen sie ihn um. Vielleicht wär’s besser gewesen, einfach zur Garnison in Borja zurückzukehren, lieber Soldat sein als Kadaver, traurig, im Urwald an Hunger oder Fieber zu sterben, Adrián Nieves. Er liegt bäuchlings auf dem Floß, und so geht’s noch tagelang, und als er schließlich aus dem Pflanzentunnel auf eine riesige Lagune hinaustreibt, was? so groß, daß es wie der See aussieht, so was! der Rimachesee? so weit kann er doch nicht gekommen sein, unmöglich, und in der Mitte ist die Insel,und oben am Uferabhang ragt eine Wand von Lupunabäumen auf. Er stakt mit der Stange, ohne aufzustehen und, endlich, zwischen den Bäumen voller Buckel, nackte Gestalten, du liebe Scheiße, werden doch keine Aguarunas sein, helft mir, ob die umgänglich sind? er grüßt sie mit den beiden Händen und sie geraten in Bewegung, kreischen, helft mir, sie hüpfen herum, deuten auf ihn, und beim Anlegen sieht er den Christen, die Christin, sie warten auf ihn, und ihm dreht sich der Kopf, Patrón, er hatte keine Ahnung, wie schön, einen Christen zu sehen. Er hatte ihm das Leben gerettet, Patrón, glaubte schon, es sei aus, und er lacht und sie geben ihm noch einen Schnaps, der süße, rauhe Geschmack des Anisschnapses, und hinter dem Patrón steht eine junge Christin, hübsches Gesicht, hübsch ihre langen Haare, und es war, als träumte er, Patrona, Sie haben es mir auch gerettet: im Namen des Himmels dankte er ihnen. Als er aufwacht, da sind sie immer noch, neben ihm, und der Patrón, aber, aber, war aber auch Zeit, Mensch, hatte einen ganzen Tag lang geschlafen, endlich machte er die Augen auf, wie fühlte er sich denn? Und Adrián Nieves, ja, sehr gut, Patrón, aber, gab’s hier keine Soldaten? Nein, es gab keine, warum fragte er, was hatte er denn ausgefressen, und Adrián Nieves, nichts Schlimmes, Patrón, hab niemanden umgebracht, nur eben, er war vom Militär ausgerissen, konnte nicht in einer Kaserne eingesperrt leben, für ihn gab’s nur eines: freie Luft, er hieß Nieves, und bevorihn die Soldaten gefesselt hatten, war er Lotse gewesen, Lotse? Dann kannte er sicherlich die Gegend hier gut, konnte ein Motorboot überall hinlenken und ganz gleich in welcher Jahreszeit, und er, natürlich konnte er das, Patrón, er war Lotse seit seiner Geburt. Jetzt hatte er sich verirrt, weil er sich am Flußrand im Altwasser, noch dazu bei Hochwasser, versteckt hatte, wollte nicht, daß die Soldaten ihn sähen, konnte er nicht vielleicht, Patrón? Und der Patrón, doch, er konnte hierbleiben, auf der Insel, er würde ihm Arbeit geben. Hier würde er sicher sein, weder Soldaten noch Guardias kämen je hierher: das war seine Frau, Lalita, und er hieß Fushía.
»Was ist, Kollege?«, sagte Josefino. »Nur keine Angst!«
»Ich geh zur Chunga«, brüllte Lituma. »Kommt ihr mit? Nein? Ich brauch euch gar nicht, ich geh allein.«
Aber die León-Brüder hielten ihn an den Armen, und Lituma kam nicht von der Stelle, seine kleinen Augen, verklebt, verschwitzt, irrten verzweifelt durch den Raum.
»Wozu, Bruderherz?« sagte Josefino. »Hier ist’s doch auch schön. Beruhig dich.«
»Nur um den Arpista mit den Silberfingern zu hören«, stöhnte Lituma. »Wegen sonst nichts, Unbezwingbarer. Wir saufen einen, und dann kommen wir zurück, ich schwör’s«
»Du warst immer ein ganzer Kerl, Kollege. Laß dich doch jetzt nicht unterkriegen.«
»Ich bin ein ganzer Kerl, mehr als jeder andere«, stammelte Lituma. »Aber mir drückt’s das Herz ab.«
»Versuch zu weinen«, sagte der Affe zärtlich. »Das hilft, Vetter, brauchst dich nicht zu schämen.«
Lituma starrte ins Leere, und sein lúcumafarbener Anzug war voll verkrusteter Erde und Speichel. Sie saßen eine gute Weile stumm da, jeder trank für sich, ohne den andern zuzutrinken, und von draußen drangen Echos von Tonderos und Walzern herein, und um sie her war die Luft von dem Geruch von Chicha und Gebratenem gesättigt. Das Hin und Her der Hängelampe ließ die vier auf die Matten projizierten Schatten in einem gleichmäßigen Rhythmus größer werden und wieder schrumpfen, und von der schon winzigen Kerze in der Nische stiegen Rauchkräusel auf, die die Gipsjungfrau einhüllten wie langes Haar. Lituma stand mit großer Mühe auf,
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