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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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klopfte seine Kleider sauber, blickte verloren um sich und steckte, ganz unerwartet, einen Finger in den Mund. Er schürte damit im Schlund herum, während die übrigen ihm aufmerksam zusahen, ihn blaß werden sahen, und erbrach sich endlich, lärmend und mit Würgen, das seinen ganzen Körper erschütterte. Dann nahm er wieder Platz, wischte sich mit einem Taschentuch den Mund ab und steckte erschöpft, blaue Ringe um die Augen, mit zitternden Händen eine Zigarette an.
    »Jetzt geht’s mir schon besser, Kollege. Erzähl ruhig weiter.«
    »Wir wissen sehr wenig, Lituma. Das heißt, wie’sdazu gekommen ist. Wie sie dich damals eingesperrt haben, sind wir untergetaucht. Wir waren Zeugen, und sie hätten uns hineinziehen können, du weißt, daß die Seminarios reiche Leute sind und viele Beziehungen haben. Ich bin nach Sullana gegangen und deine Vettern nach Chulucanas. Wie wir zurückgekommen sind, hatte sie das Häuschen in Castilla aufgegeben, und niemand hat gewußt, wo sie war.«
    »War also ganz allein, die Arme«, murmelte Lituma. »Ohne einen Pfennig und obendrein schwanger.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen, Bruderherz«, sagte Josefino. »Sie hat nicht entbunden. Wir haben bald danach erfahren, daß sie sich in den Chicha-Schenken herumgetrieben hat, und eines Nachts haben wir sie in der ›Rio Bar‹ getroffen, mit einem Kerl, und sie war schon nicht mehr schwanger.«
    »Und was hat sie getan, wie sie euch gesehen hat?«
    »Nichts, Kollege. Hat uns recht frech begrüßt. Und später sind wir ihr da und dort begegnet, und immer mit einem Kerl. Bis wir sie eines Tages im Grünen Haus gesehen haben.«
    Lituma fuhr sich mit dem Taschentuch über das Gesicht, zog heftig an der Zigarette und stieß eine dicke Rauchwolke aus.
    »Warum habt ihr mir nicht geschrieben?« Seine Stimme wurde immer heiserer.
    »Du hast genug Sorgen gehabt, eingesperrt und so weit weg von deiner Heimat. Wozu hätten wir dir da das Leben noch mehr verbittern sollen, Kollege? Einem,dem’s schlecht geht, teilt man keine solchen Nachrichten mit.«
    »Hör auf, Vetter, man könnte meinen, es gefällt dir, dich zu quälen«, sagte José. »Wechselt das Thema.«
    Von Litumas Lippen rann bis zum Hals ein glitzernder Speichelfaden. Sein Kopf schwankte langsam, schwerfällig, mechanisch von einer Seite zur andern, folgte genau dem Hin und Her der Schatten auf den Matten. Josefino füllte die Gläser. Sie tranken weiter, ohne zu reden, bis die Kerze in der Mauernische ausging.
    »Jetzt sind wir schon zwei Stunden hier«, sagte José und deutete auf die Kerze. »So lange dauert die Funzel.«
    »Ich freu mich, daß du wieder da bist, Vetter«, sagte der Affe.
    »Mach nicht so ein Gesicht. Lach doch, alle Mangaches werden begeistert sein, wenn sie dich wiedersehen. Lach doch, Vetterchen.«
    Er ließ sich gegen Lituma fallen, umarmte ihn und sah ihn mit seinen großen, lebhaften und brennenden Augen an, bis Lituma ihm einen Klaps auf den Kopf gab und lächelte.
    »So mag ich’s, Vetter«, sagte José. »Es lebe die Mangachería, los: singen wir die Hymne!«
    Und auf einmal fingen die drei zu reden an, waren drei Bengel und kletterten über die Adobemauern der Staatsschule, um im Fluß baden zu gehen, oder ritten auf einem fremden Esel über sandige Pfade, zwischenÄckern und Baumwollfeldern dahin, auf die Huacas von Natihualá zu, und dann das Getöse des Karnevals, die Eierschalen und die mit Wasser gefüllten Ballone platzten auf die wütenden Passanten herab, und sie durchnäßten auch die Polypen, die sich nicht getrauten, sie aus ihren Verstecken auf Altanen und Bäumen herunterzuholen, und jetzt, an heißen Vormittagen, spielten sie auf dem unendlich ausgedehnten Spielplatz der Wüste ungestüme Partien Fußball mit einem Ball aus Lumpen. Josefino hörte ihnen stumm zu, die Augen voller Neid, die Mangaches machten Lituma Vorwürfe, hast du dich wirklich zur Guardia Civil gemeldet? du Renegat du, du Feigling du, und die Leóns und Lituma lachten. Sie machten noch eine Flasche auf. Die ganze Zeit stumm, blies Josefino Rauchringe, José pfiff, der Affe behielt den Pisco im Mund, tat, als kaute er ihn, gurgelte damit, schnitt Grimassen, mir ist nicht schlecht, es brennt auch nicht, bloß dieses Hitzchen spür ich, das es nur einmal gibt.
    »Ruhig, Unbezwingbarer«, sagte Josefino. »Wo willst du denn hin, haltet ihn fest.«
    Die Leóns erwischten ihn auf der Schwelle, José packte ihn bei den Schultern, und der Affe legte ihm die Arme um den

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