Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
gekommen ist, ein gerötetes Gesicht, kannte sie ihn nicht mehr? aber das war doch der Señor Reátegui, ein kleiner Aufschrei, herein, eine fröhliche Hand, herein, Don Julio, so eine Freude, und ihn überraschte es nicht, daß sie ihn nicht erkannten, bei dem Aufzug, in dem er sich befand, Madre. Hinkend, unablässig redend führt Madre Griselda sie durch einen düsteren Gang, öffnet ihnen eine Tür, deutet auf zwei Segeltuchstühle, was für eine Freude für die Madre Oberin, und selbst wenn er’s noch so eilig hätte, er mußte die Kapelle besuchen, Don Julio, er würde ja sehen, wie viele Änderungen, sie kam gleich wieder zurück. Auf dem Schreibtisch ein Kruzifix und eine Dochtlampe, auf dem Boden ein Teppich aus Chambirafasern und an der Wand ein Bild der Jungfrau; durch das Fenster dringen prunkvoll, auffällig Sonnenzungen herein, diedie Dachbalken belecken. Jedesmal wenn er in einer Kirche oder in einem Konvent war, kamen Julio Reátegui seltsame Empfindungen an, Don Fabio, die Seele, der Tod, die Gedanken, die einen als Jungen nicht schlafen lassen, und dem Gobernador ging’s ganz, aber ganz genauso, Don Julio, er besuchte die Nonnen und verließ sie mit dem Kopf voller profunder Dinge: und wenn nun beide im Grunde so etwas wie Mystiker wären? Genau dasselbe hatte er eben auch gedacht, Don Fabio liebkost seinen kahlen Kopf, wie komisch, so etwas wie Mystiker. Señor Reátegui würde lachen, wenn sie sie hören könnte, sie, die immer sagte, du kommst in die Hölle, Julio, du Ketzer und apropos, voriges Jahr hatte er ihr endlich nachgegeben, im Oktober waren sie nach Lima, zur Prozession? ja, des Señor de los Milagros. Don Fabio hatte Fotos gesehen, aber dort sein war sicherlich viel besser, stimmte es, daß alle Neger sich in Dunkelviolett kleideten? und auch die Zambos und die Cholos und die Weißen, halb Lima in Dunkelviolett, schrecklich, Don Fabio, drei Tage in dem Gedränge, wie unbequem und was für Gerüche, Señora Reátegui wollte, daß er auch die Tracht anlegte, aber so weit ging seine Liebe nicht. Stimmen, Lachen, Getrippel klingen im Zimmer auf und sie schauen zu den Fenstern: Stimmen, Lachen, Getrippel. Hatten sicherlich Pause, waren viele da? dem Lärm nach mußten es hundert sein, und Don Fabio, etwa zwanzig. Am Sonntag war ein Festumzug und sie hatten die Nationalhymne gesungen,sehr hübsch, Don Julio, in einem Spanisch, allen Respekt. Kein Zweifel, Don Fabio war glücklich in Santa María de Nieva, mit welchem Stolz er von den hiesigen Dingen berichtete, war das besser, als ein Hotel führen? wenn er dort geblieben wäre, in Iquitos, würde er jetzt eine gute Position haben, Don Fabio, das heißt: wirtschaftlich. Aber der Gobernador war schon alt und, auch wenn der Señor Reátegui es nicht glauben wollte, er war nicht ehrgeizig. Er würde es also keinen Monat in Santa María de Nieva aushalten, Don Julio, hm? jetzt sah er, daß er doch ausgehalten hatte, und wenn Gott wollte, würde er nie mehr hier weggehen. Warum hatte er sich so auf die Ernennung versteift? Don Julio verstand das immer noch nicht, warum hatte er ihn ablösen wollen, Don Fabio? was erhoffte er sich denn? und Don Fabio, um, er sollte nicht lachen, respektiert zu werden, seine letzten Jahre in Iquitos waren so traurig gewesen, Don Julio, niemand konnte sich das Elend, die Demütigungen vorstellen; als er ihn ins Hotel holte, lebte er von Almosen. Aber er sollte doch nicht traurig werden, hier in Nieva mochten ihn doch alle gern, Don Fabio, hatte er sich das nicht gewünscht? Doch, man respektierte ihn, das Gehalt war freilich nichts Besonderes, aber mit dem, was Señor Reátegui ihm gab für seine Hilfe, reichte es für ein ruhiges Leben, auch das dankte er ihm, Don Julio, ah, ihm fehlten die Worte. In das Lachen, die Stimmen, das Getrippel im Obstgarten mischen sich Gebell, das Geschnatter der Papageien.Julio Reátegui schließt die Augen, Don Fabio wird nachdenklich, seine Hand streicht langsam, liebevoll über den kahlen Kopf: ach richtig, wußte Don Julio, daß Madre Asunción gestorben war? hatte er den Brief bekommen? Er hatte ihn bekommen, und Señora Reátegui hatte den Nonnen geschrieben und ihnen ihr Beileid ausgedrückt, er hatte einige Zeilen daruntergesetzt, ein guter Mensch, diese kleine Nonne, und Don Fabio hatte etwas getan, was nicht ganz gesetzlich war, die Fahne der Gobernación auf Halbmast gesetzt, Don Julio, um wenigstens so an der Trauer teilzunehmen, und Madre Angélica ging’s gut? immer
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