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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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geringem Gewinn?« sagte Aquilino. »Ehrlich gesagt, Fushía: ich glaub nicht.«
    »Aber daran war nicht ich schuld«, sagte Fushía. »Ich hab nicht so arbeiten können wie die andern, hinter denen war nicht die Polizei her, ich hab jedes Geschäft annehmen müssen, das mir unter die Finger gekommen ist.«
    »Jedesmal, wenn sie von dir geredet haben, ist mir der kalte Schweiß ausgebrochen«, sagte Aquilino. »Was die nicht alles mit dir gemacht hätten, wenn dich die von den Stämmen erwischt hätten. Aber vielleicht wär’s schlimmer gewesen, wenn dich die Patrones geschnappt hätten. Ich weiß nicht, wer mehr Wut auf dich gehabt hat.«
    »Eines noch, Alter, von Mann zu Mann«, sagte Fushía. »Jetzt kannst du’s mir ruhig sagen: Hast du dir nie dein Teil davon einbehalten?«
    »Nicht einen einzigen Centavo«, sagte Aquilino. »Ich geb dir mein Wort darauf.«
    »Nicht zu glauben, Alter«, sagte Fushía. »Ich weiß schon, daß du mich nicht anlügst, aber es will mir einfach nicht in den Kopf, Ehrenwort. Ich hätt das für dich nicht getan, weißt du.«
    »Weiß ich doch«, sagte Aquilino. »Du hättest mir noch die Seele gestohlen.«
    »Wir haben bei allen Polizeistationen des Gebiets Anzeige erstattet«, sagte Doktor Portillo. »Aber das nützt soviel wie gar nichts. Du mußt nach Lima fliegen, Julio, damit die Truppen eingreifen. Das wird ihnen einen großen Schrecken einjagen.«
    »Der Coronel meinte, er würde nur zu gern helfen, Señor Reátegui«, sagte Fabio Cuesta. »Er erwartete nur die Befehle. Und ich werde in Santa María de Nieva auch helfen, wo’s nur geht. Übrigens denken alle gern an Sie zurück, Don Julio.«
    »Warum geht’s nicht mehr weiter?« sagte Fushía. »Es ist doch noch nicht Nacht.«
    »Weil ich müde bin«, sagte Aquilino. »An der Uferlichtung dort wollen wir uns schlafen legen. Außerdem, schau den Himmel an: gleich fängt’s zu regnen an.«
    Im äußersten Norden der Stadt gibt es eine kleine Plaza. Sie ist sehr alt, und einst waren ihre Bänke aus poliertem Holz mit glänzenden Beschlägen. Der Schatten einiger schlanker Algorrobabäume fiel darüber, und in seinem Schutz erwarteten die alten Leute aus der Umgebung die Hitze des Vormittags, schauten den Kindern zu, die sich rund um den Springbrunnen tummelten: eine Schale aus Stein und in der Mitte, auf Zehenspitzen, die Hände hochgehoben, als wollte sie wegfliegen, eine in Schleier gehüllte Frau, aus deren Haar das Wasser sprudelte. Jetzt sind die Bänke rissig, ist das Becken leer, das Antlitz der schönenFrau von einer Narbe gespalten, und die Algorrobas hängen sterbend an sich selbst herab.
    Auf dieser kleinen Plaza pflegte Antonia zu spielen, wenn die Quirogas in die Stadt kamen. Sie lebten auf der Hazienda ›La Huaca‹, einer der größten in der Provinz Piura, ein Meer am Fuß der Anden. Zweimal im Jahr, zu Weihnachten und zur Juni-Prozession, reisten die Quirogas in die Stadt und schlugen ihren Wohnsitz in der großen Backsteinvilla an der Ecke dieser Plaza auf, die heute nach ihnen benannt ist. Don Roberto liebte es, buschige Schnurrbärte zu tragen, kaute beim Sprechen bedächtig daran und hatte aristokratische Manieren. Die aggressive Sonne in jenem Landstrich hatte die Züge Doña Lucías, einer blassen, zerbrechlichen, sehr gläubigen Frau, verschont: sie selbst wand die Blumenkränze, die sie auf das Traggestell der Jungfrau legte, wenn die Prozession vor der Haustür haltmachte. In der Weihnachtsnacht veranstalteten die Quirogas ein Fest, an dem viele Principales teilnahmen. Da gab es Geschenke für alle Geladenen, und um Mitternacht ergoß sich ein Regen von Münzen aus den Fenstern auf die Bettler und Landstreicher, die auf der Straße zusammenströmten. In Schwarz gekleidet, geleiteten die Quirogas die Prozession, all die vier zähen Stunden lang, durch die Stadtteile und Vororte. Antonia führten sie an der Hand, ermahnten sie diskret, wenn sie die Litaneien vernachlässigte. Während ihres Aufenthaltes in der Stadt pflegte Antonia schon früh auf der kleinen Plaza zu erscheinenund spielte mit den Kindern aus der Nachbarschaft Räuber und Gendarm, Pfänderspiele, kletterte an den Algarrobabäumen hoch, warf Erdbrocken auf die Frau aus Stein oder badete nackt wie ein Fisch im Springbrunnen.
    Wer war dieses Kind, warum protegierten es die Quirogas? Eines Tages brachten sie es im Juni von ›La Huaca‹ mit, noch ehe es sprach, und Don Roberto erzählte eine Geschichte, die nicht jeden überzeugte. Die

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