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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ich Wache hatte. Keiner, mit dem man hätte reden können. Die Jungens haben geschnarcht, und mit einemmal hab ich weder die Kröten noch die Grillen mehr gehört, nur noch die Arpa. In Lima hab ich sie nie gehört.«
    Die Nacht war frisch und hell, im Sand zeichneten sich hier und da die verrenkten Silhouetten der Algarrobabäume ab. Sie schritten in einer Linie dahin, Josefino rieb sich die Hände, die Leóns pfiffen, und Lituma, der mit gesenktem Kopf ging, die Hände in denTaschen, hob mitunter den Kopf und prüfte mit einer Art Raserei den Himmel.
    »Um die Wette, wie damals, als wir noch Buben waren«, sagte der Affe. »Eins, zwei, drei.«
    Wie aus der Pistole geschossen sauste er davon, seine kleine, affenartige Gestalt verschwand im Dunkeln. José ging unsichtbaren Hindernissen aus dem Weg, raste plötzlich los, preschte davon und kam wieder zurück, baute sich vor Lituma und Josefino auf: »Rohrschnaps ist nobel und Pisco Betrug«, brüllte er. »Und wann singen wir die Hymne?«
    Schon nahe beim Slumviertel stießen sie auf den Affen, der auf dem Rücken lag und keuchte wie ein Ochse. Sie halfen ihm auf.
    »Gleich zerplatzt mir das Herz, Scheiße, nicht zu glauben.«
    »Man wird älter, Vetter«, sagte Lituma.
    »Aber hoch lebe die Mangachería«, sagte José.
    Das Haus der Chunga ist ein Würfel und hat zwei Türen. Die große führt in den quadratischen, geräumigen Tanzsaal, dessen Wände über und über bekritzelt sind mit Namenszügen und Emblemen: Herzen, Pfeile, Brüste, weibliche Geschlechtsorgane wie Halbmonde, Glieder, die sie durchstoßen. Auch Fotos von Künstlern, Boxern und Modellen, ein Wandkalender, eine panoramische Ansicht der Stadt. Die andere, ein kleines und schmales Türchen, führt zur Bar, vom Tanzboden durch eine Theke aus Holzbrettern getrennt, hinter der sich die Chunga, ein Schaukelstuhlmit Strohgeflecht und ein Tisch voller Flaschen, Gläser und Tonkrüge befinden. Und der Bar gegenüber, in einer Ecke, sitzen die Musikanten. Don Anselmo, auf einem Hocker, benutzt die Wand als Rückenlehne und hält die Arpa zwischen die Beine geklemmt. Er hat eine Brille auf, die Haare hängen ihm in die Stirn, zwischen den Knöpfen seines Hemdes, am Kragen und aus den Ohren lugen graue Haarbüschel hervor. Der, der die Gitarre spielt und dessen Stimme so prächtig klingt, ist der Scheue, der Lakonische, der Jüngling Alejandro, der nicht nur Musikant, sondern auch Komponist ist. Der, der auf dem Stuhl mit Rohrsitz hockt und eine Trommel und Tschinellen bearbeitet, am wenigsten Künstler ist, der muskulöseste der drei, der ist der Bulle, ein ehemaliger Lastwagenfahrer.
    »Umarmt mich nicht so, keine Angst«, sagte Lituma. »Ich tu doch gar nichts, ihr seht doch. Schau mich nur nach ihr um. Was ist schon dabei, wenn ich sie mir ansehen will. Laßt mich los.«
    »Sie wird schon gegangen sein, Vetterchen«, sagte der Affe. »Kann dir doch egal sein. Denk an was anderes. Komm, wir wollen feiern, deine Rückkehr feiern.«
    »Ich tu doch nichts«, wiederholte Lituma. »Mir fällt nur alles wieder ein. Warum haltet ihr mich so fest, Unbezwingbare?«
    Sie standen auf der Schwelle zum Tanzboden, unter dem zähen Licht, das aus drei in blaues, grünes undviolettes Zellophan gehüllten Lämpchen quoll, vor einer dichtgedrängten Menge von Paaren. Undeutliche Gruppen ballten sich in den Ecken, aus denen Stimmen, Gelächter, das Anstoßen von Gläsern herüberdrang. Eine unbewegliche, transparente Rauchschwade schwebte zwischen der Decke und den Köpfen der Tanzenden, und es roch nach Bier, Schweiß und schwarzem Tabak. Lituma stand schwankend da. Josefino hielt ihn immer noch am Arm, die Leóns dagegen hatten ihn losgelassen.
    »Welcher Tisch war’s denn, Josefino? Der da?«
    »Genau der, Bruderherz. Aber das ist längst vorbei, jetzt fängst du ein neues Leben an, denk nicht mehr dran.«
    »Geh und begrüß Don Anselmo, Vetter«, sagte der Affe. »Und den Jüngling und den Bullen, sie denken oft mit Freude an dich.«
    »Aber ich seh sie nicht«, sagte Lituma. »Warum versteckt sie sich vor mir, ich will ihr doch nichts tun, sie nur anschauen.«
    »Laß mich machen, Lituma«, sagte Josefino. »Mein Wort, ich bring sie dir. Aber du mußt dein Versprechen halten: die Sache ist begraben. Geh und begrüß den Alten. Ich such sie inzwischen.«
    Das Orchester hatte zu spielen aufgehört, die Paare auf der Tanzfläche bildeten jetzt eine kompakte, reglose und zischende Masse. An der Bar schimpfte jemand laut

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