Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sich mit dem Taschentuch über das Gesicht wischte, verschmierte er das Rouge und sah aus wie ein Clown, man reichte ihm ein Glas Bier,er schüttete es sich ins Gesicht, man klatschte Beifall, und mit einemmal fing Josefino an, sich in dem Tumult suchend umzublicken. Er stellte sich auf die Zehen, bückte sich, trat schließlich aus dem Ring heraus und suchte das ganze Lokal ab, warf Stühle um, verschwand und tauchte wieder auf in der schlechten und verräucherten Luft. Er rannte zur Theke zurück.
»Ich hab recht gehabt, Unbezwingbarer«, sagte der lippenlose Mund der Chunga. »Dir schlottern die Beine.«
»Wo sind sie denn, Chunguita? Nach oben?«
»Kann dir doch egal sein.« Die starren Augen der Chunga musterten ihn, als wäre er ein Insekt. »Bist du eifersüchtig?«
»Er bringt sie um«, sagte José, der wie aus dem Boden gestampft dastand und Josefino am Arm zerrte. »Komm, schnell!«
Sie kämpften sich durch die Gruppe, der Affe stand in der Tür und deutete hinaus in die Dunkelheit, in die Richtung der Grau-Kaserne. Mit offenem Mund rasten sie zwischen den Hütten des Viertels hindurch, die verlassen wirkten, und dann erreichten sie die Sandwüste, und Josefino stolperte, schlug hin, raffte sich auf, raste weiter, und die Füße versanken jetzt im Boden, sie hatten Gegenwind, und dunkle Sandwirbel tanzten auf sie zu, sie mußten mit geschlossenen Augen laufen, den Atem anhalten, damit die Lungen nicht platzten. »Ihr habt schuld, Scheißkerle«, keuchte Josefino, »ihr habt nicht aufgepaßt«, undeinen Augenblick später, mit abgerissener Stimme, »aber wie weit denn noch, carajo «, als vor ihnen schon zwischen dem Sand und den Sternen eine Gestalt auftauchte, ein stämmiger und rachsüchtiger Schatten:
»Keinen Schritt weiter, du Lump, Hund, schlechter Freund.«
»Affe!« schrie Josefino. »José!«
Aber die Leóns hatten sich auch auf ihn geworfen, und genau wie Lituma schlugen sie mit Fäusten und Füßen auf ihn ein und rammten ihm die Köpfe in den Leib. Er lag auf den Knien, und um ihn her war alles blind und wild, und als er aufstehen und vor dem unablässigen Hagel der Hiebe fliehen wollte, riß ihn ein neuer Fußtritt zu Boden, unter einem Faustschlag rollte er sich zusammen, eine Hand zerrte an seinen Haaren, und er mußte das Gesicht heben und den Schlägen und den Nadelstichen des Sandes preisgeben, der wie ein Wasserschwall in seine Nase und seinen Mund zu schwemmen schien. Danach war es, als umkreiste eine knurrende und erschöpfte Meute ein besiegtes, noch warmes Tier, beschnüffelte es, ließe vorübergehend davon ab, bisse nur noch lustlos.
»Er rührt sich«, sagte Lituma. »Sei ein Mann, Josefino, ich möcht dich sehen, steh auf!«
»Jetzt sieht er die Mannweiber sicher aus der Nähe, Vetter«, sagte der Affe.
»Laß ihn, Lituma«, sagte José. »Deinen Spaß hast du gehabt. Schlimmer kannst du dich nicht rächen. Der kann uns ja draufgehen.«
»Dann kämst du wieder ins Gefängnis, Vetter«, sagte der Affe. »Schluß jetzt, sei nicht stur.«
»Hau ihn, hau ihn!« Die Selvática war herangekommen, ihre Stimme war nicht laut, sondern dumpf. »Hau ihn, Lituma.«
Aber statt darauf einzugehen, wandte Lituma sich ihr zu, schleuderte sie mit einem Stoß in den Sand und bearbeitete sie mit Fußtritten, Hure, Miststück, Siebensamen, und beleidigte sie, bis ihm die Stimme und die Kräfte versagten. Dann ließ er sich in den Sand fallen und fing zu schluchzen an wie ein Kind.
»Vetter, um alles, was dir lieb ist, beruhig dich doch.«
»Ihr habt auch schuld«, wimmerte Lituma. »Alle haben mich verraten, Lumpen, Verräter, sterben müßtet ihr vor Reue.«
»Haben wir ihn dir etwa nicht aus dem Grünen Haus geholt, Lituma? Haben wir dir vielleicht nicht geholfen, ihn zu verprügeln? Allein hättst du’s nicht geschafft.«
»Wir haben dich gerächt, Vetterchen. Und sogar die Selvática, schau nur, wie sie ihn kratzt.«
»Ich meine vorher«, sagte Lituma zwischen Schluckauf und Schluchzern. »Alle habt ihr unter einer Decke gesteckt und ich dort unten, ahnungslos, wie ein Rindvieh.«
»Vetter, ein Mann weint nicht. Sei nicht so. Wir haben dich immer gern gehabt.«
»Was vorbei ist, ist vorbei, Bruderherz. Sei ein Mann, sei ein Mangache, wein nicht.«
Die Selvática hatte von Josefino abgelassen, der gekrümmt auf dem Boden lag und leise klagte, und sie und die Leóns trösteten Lituma, er solle sich zusammenreißen, Männer werden hart im Unglück, umarmten ihn, klopften ihm
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