Das gruene Zelt
waren Repins Wolgatreidler, nur zogen sie keinen Lastkahn, sondern eine Weltraumrakete.
Die Ermittler hatten lange nach dem böswilligen Zeichner gesucht und waren ganz zufällig auf ihn gestoßen. Nun blieb nur noch eine Kleinigkeit: Die Originale zu finden oder Skizzen oder etwas anderes, Ähnliches …
Hauptmann Popow verließ die Wohnung am späten Abend. Sie nahmen drei Säcke Samisdat mit. Die Zeichnungen, auf die Popow aus war, hatten sie nicht gefunden.
Boris Muratow hatte sich inzwischen bei einer alten Frau zur Nacht einquartiert – sie hatte an der Anlegestelle in Kimri erfolglos versucht, Petersilie und Zwiebellauch zu verkaufen, aber nichts weiter erbeutet als einen Reisenden, der das letzte Boot nach Nowo-Aktowo versäumt hatte. Er übernachtete für einen Rubel im Schuppen auf einem Strohlager mit einem Laken darüber, wusch sich im Morgengrauen am Brunnen und bestieg früh um sechs das Boot. Die Alte war offenkundig ein guter Mensch – sie hatte ihn nicht denunziert.
Am Abend des zweiten Tages saß er in dem entlegenen und schwer zu erreichenden Dorf Danilowy Gorki, in der alten Bauernhütte seines Freundes Nikolai Michailowitsch, ebenfalls einem Maler. Er erzählte ihm ehrlich, was los war, und fragte, ob er bleiben könne, im Sommerhaus oder in der Banja, für eine gewisse Zeit. Als Nikolais Cousin oder wer auch immer. Nikolai stöhnte und schüttelte den Kopf, wies ihn aber nicht ab. So begann Muratows Flucht.
Danilowy Gorki war kein richtiges Dorf, sondern ein Weiler mit fünf Häusern. Eines davon war das von Nikolai, ein zweites stand nach dem Tod der Besitzerin das zweite Jahr leer und wartete auf einen Käufer, und in dreien wohnten im Sommer außer den Besitzern auch Feriengäste. Ende August verschwanden sie meist, kaum jemand blieb noch im September.
Nikolais Mutter stammte aus einem Fürstengeschlecht, sein Vater war Priester gewesen und 1937 erschossen worden, darum reagierte Nikolai rasch. Er sagte, bis September, wenn viele Fremde im Ort lebten, sei es hier mehr oder weniger ungefährlich, doch wenn die Sommergäste abreisten, falle jeder Fremde auf zehn Werst Entfernung auf.
Das Haus war voll. Kinder, Greise, zwei unverheiratete weibliche Verwandte, Dauergäste. Alle arbeiteten ein wenig, aber ohne jeden Zwang.
Dieses Leben auf dem Land war für Boris etwas Neues. Er war Städter – sein Großvater, ein entlassener Leibeigener, hatte ab 1883 in Sytins lithographischer Anstalt gearbeitet, sein Vater war Druckgraveur, »ein Proletarier der Kunst«, wie er sich selbst nannte, wurde ein echter Moskauer und verlor jeden Kontakt zu seiner Rjasaner Verwandtschaft.
Boris kannte das Landleben nicht und fürchtete es, die Stadt aber verließ er gern. Er hatte seit seiner Kindheit im Bezirk Samoskworetschje gelebt, in der Nähe der Druckerei, und nach seiner Heirat war er zu seiner Frau in die Charitoni-Gasse gezogen.
Am wohlsten fühlte er sich am Schwarzen Meer, in Sotschi oder Gagra, er fuhr jedes Jahr in diese Kurorte. Ein richtiges Dorf hatte er noch nie gesehen. Und plötzlich entdeckte er den Reiz eines gemütlichen Dörfchens in der Nähe eines großen Flusses, umgeben von Wäldern und Sümpfen. Auch die Nachfahren der Fürstenfamilie gefielen ihm sehr – sie lebten schon seit langem nicht mehr in Schlössern, sie kannten keinen Luxus, im Laufe des halben Jahrhunderts zwischen Elend und Armut, zwischen Verbannung und Gefängnis waren diejenigen, die überlebt hatten, härter und schlichter geworden, so sehr, dass sie nicht einmal mehr eine Fremdsprache beherrschten, dennoch hatten sie etwas Besonderes bewahrt, das Boris nicht recht definieren konnte.
Nikolais Töchter kochten in dem russischen Ofen Grütze, buken pudschwere Piroggen, arbeiteten im Gemüsegarten, wuschen im Fluss Wäsche, die Enkel angelten, die Enkelinnen und die beiden Tanten sammelten Pilze und Beeren. Alle zeichneten, sangen und arrangierten Theatervorstellungen für die Kinder.
Für drei Tage kam eine Cousine von Nikolai zu Besuch, die quirlige und stimmgewaltige Anastassija. Sie warf sofort ein Auge auf Boris und verdrehte ihm den Kopf. Er war eine leichte und verständige Beute, sie verloren keine Zeit, nur die erste Nacht geriet ein wenig kurz, weil sie so lange bei Tisch und Gesang zusammengesessen hatten. Aber Anastassija sang wirklich wunderbar – mit zigeunerhafter Verve, hell und herausfordernd. Seine Frau Natascha war dieser Anastassija in jeder Hinsicht überlegen, und Boris wunderte sich im
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