Das gruene Zelt
bewerben wollte. Er trug eine recht gelungene Maske aus Pappe, die den Lehrer darstellte, den rechten Arm hielt er abgewinkelt an den Körper gepresst; der bis zur Hälfte aufgerollte rechte Ärmel wurde festgesteckt.
Das Ganze war unglaublich kindisch, aber auch urkomisch. Die Zeusstatue fiel um, zersprang in Stücke, aus den Trümmern kam Swinjin-Schengeli hervor und schüttelte den Gipsstaub ab; Alexander Puschkin suchte nach etwas, das er verloren hatte, schließlich stellte sich heraus, dass es sich um ein »schlankes Bein« handelte, und etwa fünfzig hocherhobene Schaufensterpuppenbeine glitten über die Bühne; Tschechows Gewehr, ein Spielzeuggewehr aus Holz, geriet in die Hände von Turgenjews Jägern und feuerte einen Schuss ab; eine Stoffmöwe fiel mit einem grässlichen Schrei mitten auf die Schulbühne …
Im Mittelpunkt dieser ganzen Phantasmagorie stand natürlich der geliebte Viktor Juljewitsch.
Sanja Steklow, mit Lockenperücke und in einem Samtmantel, saß am Klavier und verlieh den Stellen Glanz, an denen der Text weniger glänzte.
Dann sang der Chor eine Hymne, die natürlich ebenfalls Micha verfasst hatte und die hier keinesfalls fehlen darf.
Nein, er ist wahrlich kein Despot,
er hat, so oft Gefahr gedroht,
gerettet uns aus höchster Not,
drum ist es uns ein Ehrgebot,
dass wir ihn preisen, sapperlot! –
wird Viktor Juljewitsch auch rot.
Er saß mit uns in einem Boot,
teilte mit uns so manches Brot
und brachte alles stets ins Lot.
Gerät er selbst einmal in Not,'
steht unser festes Angebot:
Vom Morgen- bis zum Abendrot
ist unsre Klasse für Sie da,
und sei es selbst in Panama.
Als der Gesang endete, war außer Viktor Juljewitsch kein einziger Lehrer mehr im Saal. Die anderen saßen im Lehrerzimmer und empörten sich leise: Eine unerhörte Beleidigung! Auf diese Weise verpassten sie auch die Schlussszene der Aufführung. Die Schüler bildeten einen Kreis und diskutierten, was sie ihrem geliebten Lehrer zum Abschied schenken könnten, und erörterten mehr oder weniger komische Vorschläge. Sie waren sich einig, dass sie das Allerbeste schenken wollten, es müsse zweifellos wertvoll sein und »nicht zu verbrauchen«, also nichts zu essen oder zu trinken. Und nützlich müsse das Geschenk sein. Und Freude bereiten! Schließlich schleppten sie einen hohen Karton auf die Bühne, klappten die Vorderseite auf, und zum Vorschein kam eine Gipsfigur – ein schlankes Mädchen in einer Tunika. In geziemender antiker Statuenpose stand sie da, bis das Kommando ertönte: »Vorwärts!«
Da wurde das Standbild lebendig. Es war Katja Sujewa-Schengeli, weiß angemalt. Sie hatte übrigens lange überredet werden müssen, diese Rolle zu übernehmen.
Sie schritt durch den Saal und hockte sich unter dem Beifall des Publikums vor Viktor Juljewitsch.
Die überflüssigen Stühle wurden hinausgetragen und die Tische gedeckt. Die Lehrer ließen sich nicht blicken. Viktor Juljewitsch ging ins Lehrerzimmer – er wollte versuchen, den Streik des Pädagogenkollektivs zu brechen.
Er wurde erwartet. Larissa Stepanowna trat vor.
»Im Namen des Lehrerkollektivs müssen wir Ihnen mitteilen, Viktor Juljewitsch …«, begann die Direktorin feierlich.
Aber Viktor Juljewitsch hatte schon begriffen, was sie ihm gleich sagen würde. Und tat etwas völlig Unerwartetes. Er zog sein Brillenetui aus der Jacketttasche, holte eine altmodische Nickelbrille hervor, setzte sie auf seine lange, ebenmäßige Nase, trat näher zu Larissa Stepanowna, neigte den Kopf zu ihrer berühmten Schmetterlingsbrosche am weißen Kragen und sagte mit süßlicher Stimme:
»Nein, wie entzückend! Was für ein süßes Ferkelchen!«
»Raus hier!«, sagte die Direktorin heiser und leise.
Mit vor Zorn purpurroter Stimme, dachte der Literaturlehrer.
Aus dem Saal drang Musik.
»Aber warum regen Sie sich denn so auf? Kommen Sie, gehen wir Limonade trinken und tanzen! Die Kinder warten auf Sie!«
Er zeigte sein charmantes Lächeln und dachte bei sich: Ich bin doch ein Hundesohn! Musste ich sie alle so demütigen? Und die arme Larissa Stepanowna, ihre Mundwinkel hängen herunter wie bei einem gekränkten kleinen Mädchen. Gleich fängt sie an zu heulen … Was für ungezogene Kinder … aber was soll ich jetzt machen – doch nicht um Entschuldigung bitten!
Auf dem Tisch der Direktorin lag das Kündigungsschreiben.
Sie hatte es ihm am Ende des Abends präsentieren wollen. Doch jetzt war der richtige Zeitpunkt. Mit zitternder Hand tastete sie nach dem
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