Das Gurren der Tauben (German Edition)
Deshalb werde ich
alles in meiner Macht stehende tun, um dir zu helfen. Bitte schreibe mir, mein
Junge. Ich liebe dich. Viele Gr üß e auch von Vati und deinen Br ü dern. Deine Mutti."
Das waren die
ersten netten Worte, die mir seit Wochen entgegengebracht wurden. Ich konnte
die Tr ä nen nicht zur ü ckhalten und sp ü rte pl ö tzlich, wie
unendlich einsam ich war.
Dennoch blieb
ich dabei, dass ich keinen Kontakt zu meiner Mutter wollte. Ich teilte ihr dies
in einem kurzen Schreiben mit. Meine Begr ü ndung war, dass ich mich selbst in diese Situation man ö vriert hatte und
auch selbst wieder hinauskommen m ü sse. Ich schrieb, es ginge mir gut und sie br ä uchte sich keine
Sorgen zu machen.
An den folgenden
Tagen versuchte ich mit den Gefangenen im benachbarten Isolationsbereich in
Kontakt zu kommen. Ich klopfte wer wei ß wie oft gegen die Wand, doch erhielt keine Antwort.
Die Zeit kroch
dahin. Montags bekam ich immer ein Buch, das ich Dienstagabend aber schon
ausgelesen hatte. Dann tigerte ich den ganzen Tag in meiner Zelle hin und her
und wartete auf die Zeitung. Ich h ä tte es zuvor nie f ü r m ö glich gehalten, dass der Tag kommt an dem ich mich danach sehne die
Parteizeitung “ Neues
Deutschland ” lesen zu k ö nnen. Doch sie
war meine einzige Verbindung zur Au ß enwelt und ich war froh, wenigstens ein bisschen dar ü ber zu erfahren,
was in der Welt passierte.
Nach drei Wochen
entschied ich mich zu handeln. Mein Plan war mit einem Hungerstreik zu drohen.
Meine Forderung war die sofortige Beendigung der Isolation und Verlegung auf
ein Kommando. Ich war sicher, das w ü rde klappen.
Bei der Essensausgabe
nahm ich mein Tablett nicht an und informierte den W ä rter ü ber meine
Entscheidung. Er kam ein paar Minuten sp ä ter mit Trixi zur ü ck. “ Schreiben Sie die Gr ü nde f ü r Ihren
Hungerstreik auf. Ich bin in 15 Minuten wieder da! ” , sagte er unbeeindruckt
und gab mir Papier und Stift.
Ich schrieb: “ Ich befinde mich
seit 4 Wochen in dieser Einrichtung und wurde die gesamte Zeit in Einzelhaft
gehalten. W ä hrend der
Freistunde muss ich Handschellen tragen. F ü r diese Ma ß nahmen habe ich keinen Anlass gegeben. Ich verlange das
sofortige Ende dieser Menschenrechtsverletzungen. Ich werde erst wieder Nahrung
zu mir nehmen, wenn meine Forderungen erf ü llt sind. ”
Trixi kam nach
einer Viertelstunde und nahm das Schreiben wortlos entgegen. Nun hie ß es warten. Wie
w ü rden sie reagieren?
Wie lange w ü rde ich
durchhalten m ü ssen? Vier Tage,
f ü nf Tage oder l ä nger? Egal wie
lange. Ich war entschlossen den Hungerstreik bis zum Ende durchzuziehen.
Am ersten Tag sp ü rte ich noch
nichts. Auch nicht am n ä chsten Morgen. Doch gegen Mittag befiel mich ein starkes Hungergef ü hl. Der W ä rter stellte das
Tablett auf den Boden zwischen T ü r und Gitter, so dass ich herangekommen w ä re, wenn ich
gewollt h ä tte. Der
Essenduft breitete sich in der Zelle aus und machte meinen Mund w ä ssrig.
Abends bekam ich
immer eine Kanne mit Kaffee. Obwohl der meistens ekelhaft schmeckte, sch ü ttete ich alles
in mich hinein um das Hungergef ü hl zu ertr ä nken.
In der dritten
Nacht begann ich von k ö stlichen Speisen zu tr ä umen. Ü ber Essen hatte
ich mir nie Gedanken gemacht, doch jetzt waren saftige Steaks, Bratkartoffeln
und gegrillter Fisch, das Einzige woran ich dachte. Ich schwor mir, nie wieder
zu schlingen und jeden einzelnen Bissen zu genie ß en sobald der Hungerstreik vorbei war ...
Am Morgen war
der Hei ß hunger immer wie
weggeblasen. Doch bis zum Mittag kehrte er zur ü ck und lie ß mich fast wahnsinnig werden.
Wegen des
Hungerstreiks musste ich drei Nachteile in Kauf nehmen: Ich bekam am Montag
nicht mein Buch, bekam keine Zeitung und die Freistunde fiel ebenfalls aus. Das
Verhalten der W ä rter ä nderte sich
nicht. Der Hass, der mir entgegengebracht wurde, ging weit ü ber das Normale
hinaus.
Am vierten Tag
informierte mich Trixi, dass der Anstaltsleiter meine Forderungen abgelehnt
hatte. Als er fragte, ob ich den Hungerstreik fortsetze, sagte ich ja.
Daraufhin verzog sich sein Gesicht zur Fratze: “ In dem Fall teile ich Ihnen mit, dass Sie mittels
Handfesseln ans Bett gekettet und k ü nstlich ern ä hrt werden, sollten Sie binnen einer bestimmten Frist
keine Nahrung zu sich nehmen. ”
Ich stand unter
dem Fenster und h ö rte ihm ruhig zu. Es schien ihn zu ä rgern, dass ich nichts weiter zu sagen hatte.
“ Aber vorher
lasse ich Ihnen noch
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