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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Schneider
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Nase
ab.
    Irgendwann wurde
meine Luft knapp und ich musste den Mund ö ffnen. Der Arzt stie ß seine Daumen so tief rein, dass ich die Kiefer nicht
mehr schlie ß en konnte. “ Schnell den
Gummikeil! ” , rief er
Chinese zu.
    Der nahm das
Teil vom Tisch und schob es mir zwischen die Z ä hne.
    “ Geschafft! ” sagte der Arzt
erleichtert.
    Alle drei, die
mich bearbeitet hatten, standen keuchend da.
    Nach einer
kurzen Pause nahm der Arzt den Gummischlauch und erkl ä rte mir, dass er
ihn jetzt einf ü hren w ü rde. Es k ö nnte ein bisschen
weh tun.
    Ich biss auf den
harten Keil zwischen meinen Z ä hnen und bekam Angst. Sie wuchs je tiefer der Schlauch in meinen Hals
geschoben wurde. Ich keuchte und gab schlie ß lich Tierger ä usche von mir.
    Als das Ende des
Schlauchs in meinem Magen angekommen war, stocherte der Arzt mehrmals. Ich w ü rgte und ü bergab mich.
Eine dunkelbraune Fl ü ssigkeit schoss aus dem Schlauch und bespritzte den wei ß en Kittel des
Arztes und Teile der Wand.
    “ Der erstickt
doch! ” , schrie jemand.
    Der Arzt zog
schnell den Schlauch wieder heraus.
    Ich w ü rgte und
verschluckte mich und bekam einen Hustenanfall, dass meine Augen aus den H ö hlen traten.
    “ O. K. ” , sagte der
Arzt, “ das muss ich ihm
lassen. Er hat tats ä chlich nichts gegessen. Da ist nur Kaffee in seinem Magen. ”
    Als ich mich beruhigt
hatte, begann Runde zwei. Der Arzt f ü hrte den Schlauch ein und stocherte wieder.
    Mein Magen
rumorte. Ich w ü rgte. “ Aufh ö ren! ” , schrie ich so
gut ich konnte.
    Der Arzt zog den
Schlauch heraus.
    Ich war
erleichtert.
    “ Essen Sie? ”
    “ Ja! ” , schrie ich.
Die Wut ob meiner Hilflosigkeit trieb mir die Tr ä nen in die Augen. Ich versuchte sie zur ü ckzuhalten. Doch
es war so verdammt schwer.
    Der Arzt packte
eilig seine Utensilien zusammen. Als Jumbo und Chinese mich losmachen wollten,
bat er sie zu warten bis er die Zelle verlassen hat. Er lie ß sich noch mal
blicken, als das Gitter abgeschlossen war: “ Ich hoffe, das war Ihnen eine Lehre. Beim n ä chsten Mal wird ’ s noch
unangenehmer. ”
    Ich drehte mich
um damit er mein Gesicht nicht sehen konnte. Als die T ü r zu war, konnte
ich nicht l ä nger an mich
halten. Ich sank auf meinen Hocker und begann zu weinen, wie ein kleines Kind.
Ich f ü hlte mich so
erniedrigt. Ich hatte auf ganzer Linie versagt. Die Typen hatten mir gezeigt,
was ich f ü r ein kleines W ü rstchen war.
    Der Rotz rann
mir aus der blutigen Nase. Meine Wangen bluteten. Ich blickte an mir herab: Die
Oberschenkel waren so dick, dass die Hosenbeine spannten. Hand und Fu ß gelenke
schmerzten – die Handschellen
hatten tiefe Abdr ü cke hinterlassen. Meine Wangen brannten wie Feuer, denn die Tr ä nen rannen
direkt in die Wunden.
    Das Weinen
brachte mir Erleichterung. Irgendwann stand ich auf und wusch mir das Gesicht.
Dann a ß ich die Suppe,
die der Arzt auf dem Tisch stehen gelassen hatte. Da war auch noch das normale
Essen auf dem Tablett. Ich hatte Hei ß hunger und fiel dar ü ber her. Doch nach ein paar Bissen musste ich aufh ö ren. Die
Kartoffeln und das St ü ck Fleisch schmeckten extrem salzig. Alles was ich herunterschluckte,
wirkte wie Sandpapier auf meinen Magen. Ich ging zur Toilette und ü bergab mich.
Mein K ö rper musste sich
erst wieder an Essen gew ö hnen.
    In der Nacht
schlief ich nicht. Ich lag wach und dachte nach. Dabei kam ich zu dem Schluss,
dass ich zuallererst die Realit ä t akzeptieren musste. Die lautete, so schmerzhaft es war: Lebensl ä ngliche
Freiheitsstrafe.
    Ich lie ß die letzten
vier, f ü nf Jahre meines
Lebens Revue passieren und war ehrlich zu mir selbst: Abgesehen von meinem miesen
Verhalten gegen ü ber meiner Mutter, meinem Vater und meinen beiden j ü ngeren Br ü dern, hatte ich
in dem krampfhaften Versuch, mir vielleicht doch eine ertr ä gliche Existenz
in der DDR aufzubauen, mit 19 meine schwangere Freundin geheiratet, nur um sie
ein Jahr sp ä ter mit dem Kind
sitzen zu lassen – einfach so, ohne jegliches Verantwortungsgef ü hl. Ich war schuldig, die Menschen verraten zu
haben, die mich am meisten liebten.
    Wenn es Probleme
gab, hatte ich immer nur eine Antwort parat. Oft genug hatte ich selbst
Provokationen provoziert. Zuletzt hatte mir das Pr ü geln richtig Spa ß gemacht, weil
ich immer gewann ... Viel zu selten war mir in den Sinn gekommen, auszutesten
was passiert, wenn ich intelligent reagiere. Nigger, Kanacke, Kohle oder
Dachpappe waren nur Worte. Ich war so

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