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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Schneider
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durch eine T ü r im ersten
Stock. Er schloss eine Zelle auf, die vor dem Isolationsbereich lag, befahl mir
hineinzugehen und schloss hinter mir ab. Meine Sachen aus der anderen Zelle
lagen in eine Decke gewickelt auf dem Bett. Ich dr ü ckte sofort den
Rufknopf.
    Als Bobby nach
einer Weile kam, fragte ich ihn warum ich verlegt worden war.
    “ Wir entscheiden,
wie Sie untergebracht werden. Vorl ä ufig bleiben Sie in diesem Verwahrraum ” , sagte er und
knallte die T ü r wieder zu.
    Vorl ä ufig? Das konnte
eine Woche sein, aber auch ein Monat. Fakt war, mir blieb nichts anderes ü brig, als mich
damit abzufinden. Ich redete mir ein, dass “ vorl ä ufig ” einige Tage
bedeutete.
    Die Zelle war
frisch renoviert. Hocker, Tisch und Bett waren in den Dielen verschraubt. Ich
stieg aufs Bett und untersuchte das Fenster. Es war mit Eisenst ä ben und Blenden
verbarrikadiert, was ein Hinausschauen unm ö glich machte. Da war eine Taube drau ß en vor dem
Fenster. Ich h ö rte sie gurren.
Wie ich sie beneidete! Sie war frei und konnte fliegen wohin sie wollte ...
    Als ich am n ä chsten Morgen
zur Freistunde herausgeholt wurde, musste ich meine H ä nde durch die
Luke in der Gittert ü r stecken und bekam Handschellen angelegt. Dann wurde ich aufgefordert zur ü ck unters
Fenster zu treten. Als ich das getan hatte, schloss der W ä rter das Gitter
auf, entfernte sich und rief mir dann zu, dass ich kommen k ö nne. Auf dem Weg
zum Freihof passierte ich sechs, finster blickende, mit Schlagst ö cken bewaffnete
W ä rter. Wenn meine
Situation nicht so ernst gewesen w ä re, h ä tte ich mich totgelacht.
    Bobby erwartete
mich am Eingang vom Freihof. Er informierte mich, dass mir fortan nur noch
gestattet sei auf einer geraden Linie von etwa 20 Metern im Schatten der Mauer
hin und her zu gehen. Sportliche Bet ä tigung war untersagt. Sollte ich gegen diese Bestimmungen
versto ß en, w ü rde der
Diensthabende die Freistunde sofort abbrechen.
    Was hatten die
vor? Ich beschloss das alles f ü r die n ä chsten Tage
mitzumachen. Sollte sich nichts ä ndern, w ü rde ich mir etwas einfallen lassen.
    Doch an den
folgenden Tagen gab es nur eine Ver ä nderung: Die Kontrollen wurden h ä ufiger. Alle
paar Minuten schob sich der Deckel vom Guckloch zur Seite. Diese permanente Ü berwachung
kostete den W ä rtern keine zus ä tzliche Arbeit,
da meine Zelle an einer Gangkreuzung lag, an der st ä ndig jemand
vorbeiging.
    Eines
Nachmittags brachte Trixi mir zwei Briefe. Einer war vom Obersten Gericht der
DDR, die Ablehnung meiner Berufung; der zweite von meiner Mutter. “ Sie d ü rfen antworten ” , sagte er. “ Ich lasse Ihnen
Papier und Stift hier. In einer Stunde bin ich zur ü ck. Besuche und
Pakete gibt ’ s vorl ä ufig nicht.
Sollte der Brief Informationen ü ber Ihre Straftat oder diese Strafvollzugseinrichtung enthalten, wird er
nicht abgeschickt. ”
    “ Ich will gar
nicht antworten ” , sagte ich.
    Trixi sah mich ü berrascht an: “Ä h ... Sie m ü ssen antworten.
Wenn Sie keinen Kontakt wollen, teilen Sie ’ s Ihren Eltern mit. ”
    Als Trixi
gegangen war, setzte ich mich auf den Hocker und starrte auf den Brief, der vor
mir auf dem Tisch lag. Ich ü berlegte ob ich ihn zerrei ß en und die Toilette hinunter sp ü len sollte. In mir stieg Wut auf. Ich hasste meine
Mutter. F ü r mich war sie
diejenige, die f ü r alles die Verantwortung trug. Sie hatte mich geboren ohne R ü cksicht auf die
Konsequenzen, in der naiven Annahme, dass ihre Liebe zu mir alles regeln w ü rde.
    Ich dachte
daran, wie ich sie zum letzten Mal gesehen hatte. Es war in Eisenh ü ttenstadt. Ich
war mit meinen Kumpels unterwegs. Sie kam mir entgegen. Sie sah mich an und
hatte dieses Zucken um die Lippen, als ob sie jeden Moment anfangen w ü rde zu weinen.
Ich ging wortlos an ihr vor ü ber wie ein Fremder ...
    Irgendwann nahm
ich den Brief aus dem ge ö ffneten Umschlag. Es waren nur ein paar Zeilen. Als ich ihre sch ö ne, saubere
Handschrift sah, wurde mir warm ums Herz. Meine Wut verschwand.
    “ Mein lieber
Junge, Du kannst dir nicht vorstellen, was ich in den letzten Wochen
durchgemacht habe. Ich war schockiert, als ich erfuhr, was du getan hast. Es
gab so viele Ger ü chte. Manche sagten, dass du tot bist. Das w ä re ein furchtbarer Schlag f ü r mich gewesen,
denn ich liebe dich ü ber alles, obwohl wir uns zuletzt nur noch gestritten haben.
    Ich wei ß nicht, warum du
das getan hast. Aber viele Jahre warst du mir ein guter Sohn.

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