Das Gurren der Tauben (German Edition)
ich einen gelbbraunen
Drillich. Ich wurde informiert, dass ich im Anschluss in eine
Strafvollzugseinrichtung ü berstellt werden w ü rde. Handschellen klickten und ich wurde belehrt, dass bei Fluchtversuch
die Schusswaffe zum Einsatz kommt. Unten in der Tiefgarage wartete der Barkas.
Ich wurde in eine Sitzzelle gesperrt und der Motor startete. Die Fahrt in eine
ungewisse Zukunft begann.
*
Als mir die
Handschellen wieder abgenommen wurden, befand ich mich in einem Hof, der von hohen
Mauern umgeben war. Mehrere Offiziere blickten von einer Rampe auf mich hinab.
Sie trugen die regul ä ren blauen Uniformen der SV-Angeh ö rigen. Ein schm ä chtiger Oberleutnant hielt meine Fluchtkarte in der Hand.
Er schaute drauf und fragte mich nach Namen und Geburtsdatum. Als ich
geantwortet hatte, schrie er: “ Los ab nach oben! Ich kann Ihre Visage nicht mehr sehen! ”
Ich startete
Richtung Treppe, doch einer der Offiziere st ü rzte auf mich zu. “ Nicht so schnell ” , sagte er und legte mir eine Knebelkette ums Handgelenk.
Ich bin nicht klein, aber neben dem Typen kam ich mir vor wie ein Zwerg. Die
Offiziere nahmen mich mit b ö sen Blicken in ihre Mitte, dann setzten wir uns in Bewegung.
Wir durchquerten
eine Eingangshalle an deren Wand in bombastischen Lettern der Slogan stand: “ Das Leben dem
Volk. Dem Kommunismus die Zukunft. ” Mir lief ein Schauer ü ber den R ü cken.
Es roch nach Gef ä ngnis. Wir
gingen einen Flur entlang, passierten mehrere T ü ren und Gitter. Dann gingen wir im Treppenhaus eine
Etage h ö her. Schlie ß lich wurde eine
Zelle aufgeschlossen. Der Riese nahm mir die Knebelkette ab und stie ß mich hinein. W ä hrend er das zus ä tzlich vor der T ü r angebrachte
Gitter abschloss, sagte er: “ Sollten Sie hier drin Krawall machen, kriegen Sie Ihr Jackst ü ck voll, wie Sie ’ s noch nie
erlebt haben. ” Dann schlug er
die T ü r zu, schob die
Riegel vor und schloss ab.
Ich fragte mich,
wo ich gelandet war. Der Dialekt der Offiziere hatte zumindest verraten, dass
ich irgendwo in Sachsen war.
Ich schaute mich
um. Waschbecken und Toilette waren verdreckt, die W ä nde vor langer
Zeit das letzte Mal gestrichen worden. Die Dielen knarrten bei jedem Schritt.
Es gab kein warmes Wasser – kein Vergleich zu der hellen, sauberen Zelle in der Stasi-U-Haft.
Ich z ö gerte aufs Bett
zu steigen und mir das Fenster genauer anzusehen. Ich lauschte eine Weile
angestrengt. Als ich sicher war, dass niemand vor der T ü r stand, wagte
ich es.
Hinter dem
Fenster waren Blenden angebracht. Das Einzige, was ich durch einen schmalen
Spalt sah, war ein St ü ck des Himmels. Ich h ö rte Schl ü sselklappern und
sprang schnell vom Bett.
T ü r und Gitter
wurden aufgeschlossen. Es war der gro ß e Leutnant. “ Mitkommen! ” , sagte er.
Er brachte mich
zu einem B ü ro in dem der
schm ä chtige
Oberleutnant und ein Leutnant mit Glubschauge waren.
“ Anmelden! ” , schrie der
Oberleutnant.
“ Jugendlicher
Baganz meldet sich an ” , sagte ich.
“ Das hei ß t
Strafgefangener! ” , schrie der Oberleutnant. “ Das ist doch nicht Ihr erster Aufenthalt im Strafvollzug-oder? ”
“ Ich war zehn
Monate im Jugendhaus. Da hie ß es Jugendlicher ” , sagte ich.
“ Hier hei ß t es
Strafgefangener! ” Der Oberleutnant fand zu einer normalen Tonlage zur ü ck: “ Sie befinden
sich in der Strafvollzugseinrichtung Bautzen II. Ihre Lebensl ä ngliche
Freiheitsstrafe werden Sie hier verb üß en ... Haben Sie irgendwelche Fragen? ”
Ich sch ü ttelte den Kopf.
Die drei
Offiziere musterten mich.
“ Warum haben Sie
aufgeh ö rt zu schie ß en? Keine
Munition mehr gehabt? ” , fragte der Oberleutnant ironisch.
“ Wir hatten noch
gen ü gend Munition ” , sagte ich.
“ Ihr Ton gef ä llt mir nicht! ” , sagte der
Oberleutnant und wandte sich an seine Genossen: “ Aber wir haben hier schon h ä rtere Burschen
kleingekriegt. ”
Der mit dem
Glubschauge grinste. Der Gro ß e verzog keine Miene.
“ Ausziehen! ” , befahl der
Oberleutnant.
Ich zog mich
aus.
“ Umdrehen und H ä nde gegen die
Wand! ”
Ich drehte mich
um und tat meine H ä nde gegen die Wand.
“ Beine weiter
auseinander! ”
“ Ich kann auch
einen Spagat machen, wenn Sie wollen ” , sagte ich.
“ Ihnen wird Ihr
freches Maul schon noch vergehen ” , sagte der Oberleutnant.
Der Gro ß e durchsuchte
meine Klamotten, w ä hrend ich in Fliegerstellung an der Wand stand. Als er fertig war, durfte
ich mich wieder
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